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Aktuell Leserbrief

»Wo ist der Blick für alle Reutlinger Bürger?«

Zum Leserbrief »Brauchen mehr Sozialbindung« vom 10. Februar (per E-Mail)

Herr Akkeceli spricht ein sehr brisantes Thema an, das mich auch schon länger beschäftigt. Bezahlbarer Wohnraum ist nicht nur dringend für Empfänger von Grundsicherung oder Bürgergeld erforderlich, sondern auch für die vielen Menschen aus dem Niedriglohnsektor, für Alleinerziehende, für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keiner Vollzeittätigkeit nachgehen können.

Der Antrag im Reutlinger Gemeinderat hat mich wirklich erschreckt. Wo ist der Blick für alle Reutlinger Bürger? Wo ist die Solidarität mit denen, die in anderen Lebensumständen leben müssen als die Damen und Herren aus den beantragenden Fraktionen?

Allerdings wundere ich mich nicht über die Ecke, aus der dieser Antrag kommt. Drei Mitglieder der genannten Fraktionen sitzen im Aufsichtsrat der GWG. Eine ist auch aus beruflichen Gründen an hochpreisigen Immobilien interessiert. Honi soit qui mal y pense.

Die GWG Reutlingen ist ein eigenes Thema, das einer genaueren Betrachtung lohnt. Herr Akkeceli nennt eine Festschreibung von 70 Prozent sozialgebundener Wohnungen bei der GWG. Was bedeutet diese Zahl genau? Sind das Wohnungen für Mieterinnen und Mieter mit Wohnberechtigungsschein? Nach langem Suchen habe ich auf der Homepage der Stadt Reutlingen immerhin einen Beteiligungsbericht für das Jahr 2019 gefunden, etwas Aktuelleres konnte ich leider nicht entdecken. In diesem Bericht werden folgende Zahlen genannt: Im Jahr 2019 hatte die GWG 7.503 Mietwohnungen im Bestand, davon waren gebunden an einen Wohnberechtigungsschein 1.422 Wohnungen. Das entspricht 18,95 Prozent. Die aktuellen Zahlen kenne ich nicht, sie werden aber nicht viel besser sein.

Ein mir nahestehender Mensch mit durchschnittlicher Rente hat jahrelang versucht, in Reutlingen eine bezahlbare Wohnung zu finden. Natürlich hat er sich auch bei der GWG gemeldet, ohne Erfolg. Jetzt wohnt er in Pfullingen auf 39 Quadratmetern, Kaltmiete 535 Euro mit schon zwei festgeschriebenen Mieterhöhungen in den nächsten beiden Jahren. Wenn wir jetzt noch die derzeit erheblichen Nebenkosten dazurechnen, können wir uns vorstellen, worauf dieser Mensch alles verzichten muss, um mit seiner Rente gut durchzukommen.

So geht es sehr vielen Menschen, in Reutlingen und überall. Jetzt kommen wir Babyboomer in den Rentenbezug. Der Markt für preiswerten Wohnraum wird noch enger. Bedenkt das, ihr Reutlinger Gemeinderäte! Bis zur Wahl sind es nur noch wenige Monate.

 

Marion Fischer, Reutlingen