Und weiter geht’s im Dorf mit dem Abriss von Bauern- und Einfamilienhäusern mit Gärten zugunsten maximaler Vermarktung des Bodens durch Immobilienspekulanten. Im GEA vom 19. Januar beschreibt Philipp Förder ein Beispiel in Gomaringen. Im alten Ortskern zwischen aufwendig renoviertem Schloss und Kirche, »weicht ein kleines Haus mit großem Garten einem großen Haus (9 Wohnungen) mit kleinem Garten«.
Mit der propagierten Innenverdichtung in Städten und Dörfern wird so jegliche freie Naturfläche dem Bau- und Wachstumswahn überlassen, und die Menschen degenerieren in ihrer weitgehend von vielen Tier- und Pflanzenarten ausgeräumten, öden, langweiligen und beengten Umgebung.
Aber nicht genug der Innenverdichtung, die man uns verkauft hat als notwendige Vermeidung von sich ausweitendem Flächenfraß. Nein, in Gomaringen werden ständig neue Baugebiete ausgewiesen, ob an der Albert-Schweitzer-Straße, zwischen Reutlinger Straße und Grundstraße, hinterm Feuerwehrhaus oder dem Unipro-Park bis Nehren. Mit dem interkommunalen Industriegelände auf Initiative der Reutlinger Industrie- und Handelskammer sichert sich der Reutlinger Wirtschaftsbürgermeister Kreher Wachstumsmöglichkeiten. Er erhofft sich ähnlich positive Erfahrungen, wie mit dem riesigen Industriegelände bei Kusterdingen und Kirchentellinsfurt.
Nachdem der Unipro-Park als Gründercampus lange Zeit sich nicht so entwickelt hat wie erhofft, hat man nun Beschränkungen aufgehoben, den Bebauungsplan geöffnet und die Bandbreite der möglichen Gewerbebetriebe erweitert – für größere Betriebe. Man braucht sich nicht wundern, dass die Nachfrage boomt: Während der Normalbürger für sein kaum zu findendes Bauplätzle 5-6-mal so viel zahlt, wie der Quadratmeterpreis im Unipro-Park kostet, nämlich 75 Euro, ist dieser Preis für zahlungskräftige Industriebetriebe ein Schnäppchen und eine lohnende Investition in die Zukunft. Wie sich das Geschäft für die Gemeinde lohnt, ist mir ein Rätsel. Nach Bürgermeister Hölsch schließe Unipro mit einer guten schwarzen Null.
Aus meiner Sicht gibt es aber auch Verlierer. Unsere Kinder und Enkel baden den zerstörerischen Konsum- und Wachstumswahn und die damit einhergehende Naturzerstörung aus. Es zerreißt mir mein Herz, wenn ich als Einheimischer an meine Kindheit und Jugend in diesem Dorf denke: Zwar mussten wir viel mitarbeiten, aber verglichen mit heute und dem, was droht, hatten wir eine paradiesische, vielfältige Umwelt und Freiheit und Freiraum, um mit unseren Kameraden ohne pädagogische Überwachung zu spielen.
Wir brauchen Visionen für unser Dorf und für eine »enkelgerechte« Zukunft. Ein Thema für Bürgerbeteiligung.
Gerhard Weihing, Gomaringen