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Aktuell Leserbrief

»Stadtumbau jetzt angehen«

Zum GEA-Artikel »Verkehr verflüssigen« vom 26.1.

Anstelle nach dem Bau eines 135 Millionen teuren Tunnels die einmalige Chance für einen grundlegenden Wandel in der Reutlinger Verkehrspolitik zu ergreifen, sind offensichtlich die meisten Fraktionen im Reutlinger Gemeinderat in alten Mustern des letzten Jahrhunderts gefangen: »keine Restriktionen« für den Verkehr, eine »Reduzierung des Straßenraumes« sei »nicht geeignet«, sondern »Verkehr verflüssigen« müsse das Ziel sein.

Ohne externe Gutachten ist inzwischen allgemein bekannt, dass ein Angebot von Straßen oder zusätzlichen Fahrspuren Verkehr anzieht. Solange auch der GEA vor einigen Wochen mit einem Artikel über ein Wettrennen von Eningen nach Tübingen (Tunnel gegen Innenstadtdurchquerung) suggeriert, es sei die bessere Variante, zügig durch die Innenstadt zu fahren, um damit 2 Minuten zu gewinnen, wird der eigentliche Sinn des Tunnels – die Verbesserung der Luftqualität in der Reutlinger Innenstadt – verkannt.

Nur durch entsprechende Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Rückbau von Fahrspuren und eine modifizierte Ampelsteuerung mit dem Ziel einer konsequenten Bevorzugung von Bussen, Radfahrern und Fußgängern wird eine Reduzierung des Autoverkehrs möglich sein. Allein die ZOB-Ausfahrt der RSV-Busse an der Ampel am Stummelsteg zeigt, welche Priorität momentan den Bussen gegenüber dem fließenden Verkehr in der Lederstraße eingeräumt wird. Ein Lied davon kann auch singen, wer schon einmal an der Skateranlage an der Fußgängerampel gewartet hat, bis diese auf Grün umschaltet.

Es wurde im Vorfeld der Tunneleröffnung immer wieder betont, dass nur durch Begleitmaßnahmen im Bereich der Innenstadt-Bundesstraßen und der Oststadt eine signifikante Reduzierung des Verkehrs erzielt werden kann. Seit Eröffnung des Tunnels ist davon wenig zu spüren. Alle Maßnahmenvorschläge, die eine für Autofahrer wirklich spürbare Veränderung nach sich ziehen würden, finden im Gemeinderat keine Mehrheit.

Zur Tunneleröffnung hat der GEA aus einer Vorlage einer Bauausschusssitzung im September 2012 mit den Worten zitiert: »Durch die innerstädtische Verkehrsentlastung sind die Redimensionierung des Straßennetzes, Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und ein Stadtumbau möglich, der weit mehr als bisher an den Bedürfnissen der Menschen als an denen des Kraftverkehrs ausgerichtet sein kann.« Leider sind große Würfe hier nicht zu erwarten, wenn schon die Wegnahme einer Fahrspur von Fraktionen als unmöglich angesehen wird.

Dr. Ralph Neudert