Am 1. Juni gab's doch eine konzertierte Demo »gegen rechts« mit 1.500 Teilnehmenden (der GEA und andere berichteten), darunter auch einer, der sich optisch abhob von der Masse, weil er eine Deutschlandfahne geschultert hatte. Alsbald wurde er von drei schwarz gekleideten jungen Menschen umzingelt, die ihn für einen unverkappten Nazi hielten, eben wegen der Fahne. Es entspann sich im Beisein von Kirchenvertretern, Omas gegen rechts, Vertretern des Asylcafés und Seebrücke ein hitziger Disput vor der Stadthalle. Der Fahnenträger begründete sein Tun etwa mit Heinrich Heine: »Denk’ ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht!«; er sorge sich um die einzigartig gute Verfassung Deutschlands und sei zur Demo gekommen, um dieser Sorge Ausdruck zu verleihen.
Dies vermochten die drei Antifa-Vertreter offenbar nicht nachzuvollziehen, weil sie Minuten später auf dem Marktplatz eine mit Armbinde kenntlich gemachte Ordnerin hinzuzogen, die einen Platzverweis aussprach mit der Begründung, die Demo-Verantwortlichen duldeten keine Nationalflagge. Eine Diskussion mit ihr erschien sinnlos: Wer eine Deutschlandfahne mit sich führt, muss wohl ein Nazi sein. Parallelen kamen mir in den Sinn: Wer ein Palästinensertuch (wie viele Antifa-Vertreter) trägt, muss vollautomatisch ein Antisemit sein wie jeder, der Netanjahus Kriegsführung kritisiert.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die überaus zahlreichen Organisationen, Kirchen, Gewerkschaften, Initiativen und Parteien, die zur Demo aufgerufen hatten, sich expressis verbis gegen Deutschlandfahnen ausgesprochen haben könnten!
Interpretatorische Schnellschüsse, gekoppelt an das Machtgefühl, das von einer Ordner-Armbinde ausgehen könnte, sind in meinen Augen zutiefst undemokratisch! Antifa mit faschistoiden, ausgrenzenden Methoden?
Das Ordnungsamt Reutlingens hat die Demo im Vorfeld genehmigt und das war gut so; wurde im Genehmigungsverfahren auch festgelegt, welche Demonstrationsmittel zulässig sind und welche nicht, beispielsweise Nationalflaggen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich halte das Verhalten der Ordner für pure, kurzsichtige Willkür! Nebenbei: Beim Fahnenträger handelt es sich um meinen ältesten Sohn, für dessen politische Integrität ich mich verbürge!
Paul Rasch, Reutlingen