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Aktuell Leserbrief

»Pflege verhindert artenreiche Wildblumenwiese«

»Natur nah dran«-Projekt des Nabu Baden-Württemberg (per E-Mail)

Seit 2016 führt der Naturschutzbund Baden-Württemberg (Nabu) das Projekt »Natur nah dran – Biologische Vielfalt in Kommunen« durch. Voraussetzung zur Teilnahme an dem Wettbewerb ist die Bereitschaft der Kommune, mit den Fördermitteln des Landes ausgewählte innerörtliche Grünanlagen naturnah umzugestalten und dauerhaft zu pflegen. Eine Zuwendung von maximal 15.000 Euro stand schon damals in Aussicht. Fördermittel – wen wundert’s, da musste man auf dem Reutlinger Rathaus zuschlagen. Man bewarb sich und erhielt 2017 zusammen mit neun weiteren Kommunen den Zuschlag.

Mit »Natur nah dran« arbeiten inzwischen mehr als 150 Kommunen in Baden-Württemberg daran, wichtige Nahrungsquellen und Habitate für Insekten zu schaffen und so die Artenvielfalt zu fördern. Allein in diesem Jahr kamen 15 neue Kommunen hinzu. Bei uns war es das Ziel, eine bestehende 3.700 Quadratmeter große Freifläche an der im Hohbuch gelegenen Hermann-Ehlers-Straße naturnah umzugestalten und so wertvolle Lebensräume für viele heimische Tier- und Pflanzenarten zu schaffen. Dabei sollte es bis heute bleiben. Nicht nur mich wundert dies in keinster Weise. Auch angrenzende Nachbarn sprechen diesbezüglich deutliche Worte der Kritik.

Mitte August 2022 schilderte die städtische Grünflächenabteilung, in Person von Kathrin Reichenecker, anlässlich eines Pressetermins vor Ort den Erfolg der städtischen Pflege in den schillernsten Farben und ließ verlauten, dass mittlerweile im Hohbuch zu sehen sei, wie sich die Natur die ursprünglich öde Wiese zurückgeholt hat. Auch meinte sie, die Stadt sei beim Umdenken in Sachen Grünflächen-Bewirtschaftung gut aufgestellt, das Ergebnis der Pflegearbeiten könne sich sehen lassen. Wenn dem doch nur so wäre!

Die Medienvertreter jedenfalls stiegen auf die euphorischen Aussagen ein und titelten ihre Presseberichte mit »Refugium für Insekten und Pflanzen« sowie »Wo im Hohbuch das Käferparadies ist«. Schon damals waren sich Fachleute des Garten- und Landschaftsbaus (ich gehöre dazu) darin einig, dass dies alles bei Weitem nicht zutrifft. In der Folge behielt ich die Fläche im Auge und musste zunehmend mehr feststellen, dass bis heute von einer angestrebten »Artenreichen Wildblumenwiese« weit und breit nichts zu sehen ist.

Dafür immer wieder gravierende Fehler in der Bewirtschaftung der Wiese mit der Folge, dass aus der angestrebten »Natur nah dran«-Fläche längst eine »Natur weit weg«-Wiese entstanden ist. So wurde im Herbst 2023 die gesamte Fläche bis auf den letzten Halm oder Stängel niedergemacht. Ohne teilweise notwendige Handarbeit und ohne jegliche Rücksicht auf Verluste. Eine kaum zu glaubende und auch von der Nabu-Projektleitung mit den Worten »ein eklatanter Pflegemangel« eingestufte Vorgehensweise.

Angesichts des aktuellen Zustands der von einer blühenden Wildblumenwiese meilenweit entfernten »Natur nah dran«-Wiese geht dieser Schuss im Vergleich zu vielen anderen Kommunen ganz gewaltig nach hinten los. Nicht nur für mich unfassbar! In meinem Freundes- und Bekanntenkreis, von denen viele Nabu- oder BUND-Mitglieder sowie sonstige Natur- und Umweltfreunde sind, ist man mittlerweile der Meinung, dass die der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellten 15.000 Euro zurückgefordert werden müssten. Schließlich handelt es sich dabei überwiegend auch um Mitgliedsbeiträge und Spendengelder.

Zusammengefasst: Von einer angestrebten »Artenreichen Wildblumenwiese« ist weit und breit nichts zu sehen und das wird sich wohl auch in Zukunft nicht ändern. 15.000 Euro Fördergeld durch die Reutlinger erst kassiert, dann in den Sand gesetzt. Das kommt mir irgendwie bekannt vor!

 

Dietmar Czapalla, Reutlingen