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Aktuell Leserbrief

»Instrument zur Diskriminierung«

Bezahlkarte für Asylbewerber (per E-Mail)

Die Regierung hat beschlossen, dass Asylbewerberinnen und -bewerbern in Zukunft weniger Bargeld ausbezahlt werden soll. Stattdessen soll eine Bezahlkarte zum bargeldlosen Bezahlen eingeführt und nur ein geringer Bargeldbetrag zur Verfügung gestellt werden. Die Idee dahinter ist, dass Asylbewerber, so wird vermutet, nicht mehr Geld an ihre Familienangehörigen in Krisengebiete schicken können und somit die Attraktivität eines Asylantrags sinke. Diese Argumentation ignoriert völlig, dass Menschen in Angst um Leib und Leben aus Kriegs- und Hungergebieten fliehen! Da ist die Frage, mit welchem Bezahlsystem sie im zukünftigen Asylland ihr Existenzminium bestreiten, wirklich nicht relevant. Es geht diesen Menschen einfach ums Überleben!

Da die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes nur ein wirkliches Existenzminimum decken, ist auch der Betrag, der eventuell in Heimatländer zurückgeschickt werden könnte, tatsächlich sehr gering. Viel entscheidender ist, wie mit dieser Regelung in Deutschland eine Diskussion angefacht wird, die ganz offensichtlich Menschen, die Asyl suchen, ein weiteres Mal diskriminierenden Gedanken und Prozeduren unterwirft.

So signalisiert und bewirkt die weitgehend bargeldlose Leistung: Asylbewerber zweckentfremden ihre Leistungen nicht nur in Ausnahmefällen (sonst müsste man ja nicht das ganze System aufwendig umstellen). Asylbewerber können nicht adäquat mit Geld umgehen. Asylbewerber sollen im öffentlichen Leben – also an jeder Ladenkasse – als solche erkannt und einer Sonderbehandlung ausgesetzt /diskriminiert werden. Dieses System nimmt in Kauf, dass Asylbewerber nur in bestimmten Geschäften einkaufen können: nicht auf dem Markt, nicht in kleinen Secondhandläden, nicht in Tafelläden, und die günstigen Angebote im Internet nicht nutzen können. Und schon gibt es Stimmen, die manche Warengruppen auf den Bezahlkarten sperren wollen. Mit dieser Diskussion und dem System der Bezahlkarte wird die fremdenfeindliche Stimmung in unserer Gesellschaft befeuert.

Menschen von der Flucht abhalten wird sie nicht! Vielmehr soll diese Regelung die Handlungsfähigkeit der Politik signalisieren. Das Gegenteil ist der Fall: Keine einzige Fluchtursache wird dadurch bekämpft! Nur die Ablehnung und die Unerwünschtheit der Menschen in Not wird ein weiteres Mal unter Beweis gestellt.

Wir fordern die verantwortlichen Personen in Bund, Land und in den Kommunen auf, diese fremdenfeindliche Praxis nicht umzusetzen. Die Diskussionen um die Bezahlkarte wird wieder einmal mehr den fremdenfeindlichen Diskurs auch in den kommunalen Gremien befeuern.

 

Rosemarie Henes, Seebrücke, Reutlingen