Lieber Herr Michaelis, Ihren Aussagen zu mutmaßlichen Umwelt- und Lärmbeeinträchtigungen durch Tempo-30-Regelungen in Ihrem Leserbrief muss ich als Physiker widersprechen.
Erstens: Sie unterstellen, dass bei Tempo 50 nicht mehr Lärm erzeugt wird als bei Tempo 30. Als täglicher Radfahrer stelle ich fest, dass die Reduzierung von 50 auf 30 km/h gravierende Auswirkungen auf den subjektiv empfundenen Lärm hat. Dazu tragen vor allem der gleichmäßigere Verkehrsfluss sowie die geringeren Lärmspitzen bei. Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg konstatiert: »Der Mensch nimmt diese Reduzierung wie eine Halbierung des Verkehrs auf der Straße wahr.«
Zweitens: Sie »errechnen«, dass sich die Verweildauer eines Fahrzeugs auf einem bestimmten Streckenabschnitt durch Tempo 30 fast verdoppelt und sich damit die Abgase vermeintlich um 66 Prozent erhöhen. Für die lästigen Abgase ist aber nicht die Verweildauer relevant, sondern alleine der Kraftstoffverbrauch (in Menge pro Strecke!) und die Motoreffizienz sowie die Homogenität der Geschwindigkeit. Nachweisbar fließt der Verkehr bei Tempo 30 gleichmäßiger und durch weniger Brems- und Beschleunigungsvorgänge effizienter als bei Tempo 50. Somit werden auf derselben Streckenlänge auch deutlich weniger Schadstoffe ausgestoßen. Eine Voraussetzung dafür ist selbstverständlich, dass Sie im möglichst hohen Gang fahren (bei Tempo 30 üblicherweise der 3. oder auf ebener Strecke der 4. Gang bei rund 1.000 bis 1.200 U/min – keinesfalls wie von Ihnen genannt der 2. Gang bei 1.600 U/min!). So lästig einem das bei der Durchfahrt durch Lichtenstein auch vorkommen mag – hier kann man sowohl den gleichmäßigen Verkehrsfluss wahrnehmen wie auch am eigenen Bordcomputer die Kraftstoffeffizienz ablesen.
Drittens: Sie behaupten, dass bei Tempo 30 häufiger Staus entstehen. Auch das lässt sich in der Praxis widerlegen. Selbst der Durchsatz (gemessen in Autos pro Stunde) wird nur minimal beeinträchtigt, da bei Tempo 30 weniger Abstand zwischen den Fahrzeugen nötig ist als bei Tempo 50. Das Umweltbundesamt bescheinigt: »Eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat in den meisten Fällen keinen nennenswerten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Hauptverkehrsstraße für den Kfz-Verkehr.«
Dr. Martin Schöfthaler, Betzingen