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Aktuell Leserbrief

»Die Problematik erfordert einen Dialog«

Zum Leserbrief »Streikrecht in der Krise« vom 20. März (per E-Mail)

Sehr geehrter Herr Dr. Kraushaar, die Autonomie der Tarifpartner in der Führung ihrer Auseinandersetzungen ist ein fundamentaler Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft und der demokratischen Gesellschaftsordnung in Deutschland. Die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit (Artikel 9 Absatz 3 GG) schützt nicht nur die Existenz von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, sondern auch deren Recht, Tarifverträge auszuhandeln und durchzusetzen.

Ein Eingreifen des Gesetzgebers in Form einer Zwangsschlichtung ab der zweiten Arbeitsniederlegung, wie in Ihrem Leserbrief vorgeschlagen, könnte als ein unzulässiger Eingriff in diese Freiheit interpretiert werden. Streiks sind ein entscheidendes Mittel zur Stärkung der Verhandlungsposition der Arbeitnehmer und müssen, um effektiv zu sein, spürbare Auswirkungen haben, also auch unter Umständen uns allen wehtun. Durch die Einschränkung des Streikrechts mittels gesetzlich vorgeschriebener Schlichtungsverfahren könnte dieses Gleichgewicht zuungunsten der Arbeitnehmerseite verschoben werden. Das könnte langfristig zu einer Schwächung der Gewerkschaften und einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen.

Zudem ist die Einführung einer Zwangsschlichtung gewiss kein Allheilmittel gegen die Herausforderungen, die durch konkurrierende Gewerkschaften entstehen. Die Problematik konkurrierender Gewerkschaften und wiederholter Streiks erfordert vielmehr einen Dialog zwischen allen beteiligten Parteien, um nachhaltige Lösungen zu finden, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen. Ein solcher Dialog könnte durch Maßnahmen gefördert werden, die die Kooperation zwischen den Gewerkschaften stärken und den Austausch von Best Practices anregen, anstatt durch restriktive gesetzliche Maßnahmen.

Es ist auch zu bedenken, dass die Freiheit der Gewerkschaften, einschließlich des Streikrechts, ein wichtiger Motor für sozialen Fortschritt und die Verbesserung von Arbeitsbedingungen war und ist. Einschränkungen dieser Freiheiten könnten daher nicht nur rechtlich bedenklich, sondern auch gesellschaftlich und wirtschaftlich kontraproduktiv sein.

 

Michael Sättler, Eningen