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Zurück zu den Wurzeln: Historischer Wasen auf Schlossplatz

Hereinspaziert zur Zeitreise auf dem Stuttgarter Schlossplatz: Zum 200. Geburtstag des Cannstatter Volksfestes lädt die Landeshauptstadt zu einem Wasen »anno dazumal« ein. Mit Bierpreisen von heute.

Gaukler auf historischem Wasen
Ein Gaukler zieht bei der Eröffnungsfeier zum Historisches Volksfest einen Dreizack aus seiner Nase. Foto: Marijan Murat
Ein Gaukler zieht bei der Eröffnungsfeier zum Historisches Volksfest einen Dreizack aus seiner Nase. Foto: Marijan Murat

STUTTGART. Geschichte first: Zwei Tage vor dem 173. Cannstatter Volksfest auf dem Stuttgarter Wasen ist am Mittwoch auf dem Schlossplatz eine einmalige historische Ausgabe eröffnet worden. »Genießt das Leben, genießt das Volksfest«, rief Oberbürgermeister Fritz Kuhn den Feiernden beim Fassanstich zu. Gefeiert wird mit dem Jubiläumswasen das 200-jährige Bestehen von Deutschlands zweitgrößtem Volksfest - nach der Wiesn in München.

KÖNIG UND KÖNIGIN: Die Wasen-Erfinder König Wilhelm I. und seine russische Frau Katharina durften zu Eröffnung natürlich nicht fehlen. Schauspieler nahmen das vielfache Lob stellvertretend entgegen, mit dem die Errungenschaften aus ihrer Regentschaft überschüttet wurden. Nach einer Hungersnot Anfang des 19. Jahrhunderts hatten die Majestäten nicht nur das Cannstatter Volksfest, sondern auch die landwirtschaftliche Universität Hohenheim gegründet. Die Königin heimste den meisten Applaus ein, als sie allen Württembergern mit breitem russischen Akzent ein »königliches Fest« wünschte.

FAHRGESCHÄFTE: Ein echter Hingucker ist nicht nur das historische und liebevoll restaurierte Riesenrad direkt vor dem Königsbau. Es stammt aus den 20er-Jahren und ist gerade mal 15 Meter hoch. Die modernen Riesenräder in Cannstatt draußen sind über 50 Meter hoch. Holzpferde, Kutschen und exotische Tiere drehen auf einem mehr als 100 Jahre alten Karussell ihre Runden. Der »Autoskooter« war vor 80 Jahren mal modern. Laut Organisator Wulf Wager gab es zum Wasen-Start 1818 übrigens noch gar keine Fahrgeschäfte. Viehhandel und Pferderennen standen im Mittelpunkt.

RUMMEL: Die Budenstadt rund um Stuttgarts gute Stube, den Schlossplatz, wird bis 3. Oktober viele Kindheitserinnerungen wach werden lassen: Ein Flohzirkus ist zu Gast, Dr. Marrax zaubert, eine Illusionsschaubude kündigt Darbietungen wie die »Dame ohne Unterleib« oder eine »Schwebende Jungfrau« an. Gaukler, Feuerspucker und Quacksalber sind unterwegs. Und Kasperle auch. Eine original Hutwurfbude stammt aus dem Jahr 1880, eine Schiffschaukel von Anfang 1900, wie Eliszi von »Eliszis Jahrmarktstheater« mitteilte.

GETRÄNKE: Drei Schläge - und dann doch noch einen vierten zur Sicherheit - brauchte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), bis am Mittwoch das erste Jubiläumsbier in einen speziellen Halbliter-Steinkrug fließen konnte. Man habe zwar eigens dafür authentische Krüge anfertigen lassen, berichtete Kuhn. »Der Preis ist den heutigen Preisen nachempfunden.« Was sich seiner Meinung nach ruhig ändern dürfte, scherzte der OB. Das »Historische Volksfestbier« kostet 4,90 Euro pro halbem Liter. Statt Cola gibt es traditionelle Limo - und wie früher Most von heimischen Streuobstwiesen.

MUSIK: Ballermann-Mucke gab es weder zur Eröffnung, noch wird es sie in den nächsten Tagen zu hören geben. Im auf 1500 Besucher ausgelegten Festzelt im Ehrenhof des Neuen Schlosses ist tagtäglich von 11.00 bis 22.00 Uhr schwäbisches Liedgut zu hören. »Auf am Wasa graset d' Hasa« etwa oder »En dem Städtle Mochawanga«. Und jeden Abend ertönt zum Abschluss das ebenfalls 200 Jahre alte Württemberg-Lied - alle sieben Strophen. »Irgendwann können es alle«, sagte Wager.

SPEISEN: So schwäbisch wie die Musik ist auch das Essen im Festzelt. Es gibt Spätzle mit Soß' statt Pommes. Auf der Karte stehen traditionelle schwäbische Speisen wie Ochsenmaulsalat, Sauerampfer-Suppe oder das Eintopfgericht »Gaisburger Marsch«.

AUSSTELLUNG: Der Geschichte der Landwirtschaft in den vergangenen 200 Jahren widmet sich eine Ausstellung rund um den Fuß der Jubiläumssäule auf dem Schlossplatz, gestaltet vom Deutschen Landwirtschaftsmuseum. Schließlich handelt es sich beim Wasen im Ursprung um ein Landwirtschaftsfest.

BESUCHER: Gut 500 000 werden bis zum 3. Oktober auf dem Schlossplatz erwartet, beim 173. Cannstatter Volksfest ab Freitag sollen es an 17 Tagen dann mehr als 3,5 Millionen sein. Letztes Jahr waren es bei besten Bedingungen sogar 4,1 Millionen. Vor 200 Jahren lebten laut Wager nur 3000 Menschen in Cannstatt und 20 000 in Stuttgart - auf den Wasen kamen aber 30 000 Menschen aus den ganzen Südwesten.

HISTORY SPECTATORS: Schauspieler, die aufwendig kostümiert den Besuchern die Geschichte der Veranstaltung näher bringen, werden auch in den nächsten Tagen überall auf dem Schlossplatz unterwegs sein. Aus ihrer Rolle heraus berichten sie, was das Volksfest und die Landwirtschaft für Auswirkungen auf ihr Leben hatten.

Am Freitag startet dann auch das 173. Cannstatter Volksfest auf dem Wasen, fünf Kilometer nordöstlich des Schlossplatzes. Noch einen Tag später beginnt das 100. Landwirtschaftliche Hauptfest, eine Art Landwirtschaftsmesse als Ursprung des Wasen.

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