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Zoff ums Bleiberecht

Abschiebung vom Arbeitsplatz? Die Wirtschaft fordert eine Bleibeperspektive für gut integrierte Flüchtlinge. In der grün-schwarzen Koalition sorgt das Thema für Auseinandersetzungen. Die Opposition erkennt darin gar Selbstsabotage der Landesregierung.

Thomas Strobl
Thomas Strobl, Vize-Parteivorsitzender der CDU im Bund, und Innenminister in Baden Württemberg. Foto: Michael Kappeler/dpa/Archivbild
Thomas Strobl, Vize-Parteivorsitzender der CDU im Bund, und Innenminister in Baden Württemberg. Foto: Michael Kappeler/dpa/Archivbild

Stuttgart (dpa/lsw) - Vor dem Hintergrund von Protesten aus der Wirtschaft hält der grün-schwarze Koalitionsstreit um Abschiebungen gut integrierter Flüchtlinge an. Grünen-Innenexperte Uli Sckerl wirft Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor, die Ermessensspielräume im Bleiberecht nicht ausreichend im Sinne solcher Asylbewerber zu nutzen.

»Wir haben die Unternehmen ausdrücklich aufgefordert, Flüchtlinge auszubilden und zu beschäftigen. Da kann es nicht sein, dass sie jetzt abgeschoben werden«, sagte Sckerl am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. »Das Land ist die vollziehende Ausreisebehörde. Das Land kann immer entscheiden, wen es zu welchem Zeitpunkt abschiebt.« Das sei auch wichtig: »Wenn es nicht notwendig wäre, gäbe es nicht so viel Protest der Unternehmer, die sich im Monatsrhythmus an uns wenden.«

Die grün-schwarze Koalition hatte Mitte Dezember mehrere innenpolitische Vereinbarungen getroffen - unter anderem hatte man sich auf ein neues Polizeigesetz geeinigt, wonach Polizisten in bestimmten Fällen künftig sogenannte Bodycams auch in Wohnungen oder Diskotheken einsetzen können. Doch diese Novelle liegt nun wegen der Diskussion um das Bleiberecht auf Eis.

Teil der Einigung war auch, eine Bundesratsinitiative zur Ausweitung des Bleiberechts auf den Weg zu bringen. CDU und Grüne streiten seit Tagen darüber, wie man bis dahin mit gut integrierten und arbeitenden Asylbewerbern umgeht. Die Grünen im Landtag wollen das neue Polizeigesetz nicht mittragen, solange weiterhin Flüchtlinge mit Arbeit abgeschoben werden. Aus ihrer Sicht sind im Dezember Vereinbarungen zum Bleiberecht getroffen worden, die nun nicht eingehalten werden.

Mit Blick auf das Polizeigesetz sagte Sckerl: »Das innenpolitische Paket ist im Moment angehalten, weil wir gemeinsam vereinbart haben, dass jeder einzelne Bestandteil des Pakets nur dann in Kraft tritt, wenn alles in Kraft tritt.«

Die SPD hatte das Thema Bleiberecht am Mittwoch auf die Tagesordnung des Landtags gesetzt. Fraktionschef Andreas Stoch warf der Landesregierung vor, ein absurdes Bild bei dem Thema abzugeben. Mit der Abschiebung gut integrierter Flüchtlinge sende Grün-Schwarz ein »verheerendes integrationspolitisches Signal«. »Die Koalition koaliert nicht an diesem Punkt, sie sabotiert sich.«

Das Land schiebe ausgerechnet die Menschen ab, bei denen die Integration eine Erfolgsgeschichte sei. Das sei wirtschaftspolitisch Unfug und absurd. »Wir müssen die Menschen, die in Arbeit sind, in unserem Land lassen.« Innenminister Strobl ignoriere getroffene Koalitionsvereinbarungen und setze sich über den Rat der Härtefallkommission hinweg. »Eine Landesregierung kann kein anarchisches Nebeneinander von Parteien sein, in denen jeder sein Ministerium wie einen kleinen Freistaat regiert.«

»Wir können uns den Luxus nicht erlauben, gut integrierte und fleißige Arbeitskräfte abzuschieben«, sagte auch der FDP-Abgeordnete Nico Weinmann. Der Umgang mit dem Thema stehe sinnbildlich für den allgemeinen Zustand der Koalition. Das Misstrauen zwischen Grünen und CDU sei stark ausgeprägt. »Dass der Wahlkampf bereits 14 Monate vor der Landtagswahl eröffnet ist, lässt weiteren Stillstand und Mutlosigkeit befürchten.«

Nach Angaben von Innenminister Strobl nutzt die Landesregierung hingegen alle rechtlichen Spielräume, um arbeitende und gut integrierte Flüchtlinge von der Abschiebung zu verschonen. »Wir priorisieren, wo wir es können«, versicherte Strobl im Landtag. Der Landesregierung sei es ein Anliegen, dass die Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Die Interessen von Unternehmen und Flüchtlingen in Arbeit nehme man sehr ernst.

Trotzdem sei Deutschland ein Rechtsstaat - es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Willkür herrsche. »Ermessen kann man nur dort ausüben, wo es auch ein Ermessen gibt.« Beschäftigungsduldung dürfe keine Pull-Effekte hervorrufen. Aufenthaltsrecht sei außerdem Bundesrecht, das das Land nur vollziehe.

Strobl trat dem Eindruck entgegen, dass »immer die Falschen abgeschoben werden«. In Baden-Württemberg lebten 68 000 Schutzberechtigte in erwerbsfähigem Alter, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. »Diese Personen müssen wir mit Priorität integrieren«, sagte der Innenminister.