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Zehn Jahre anonyme Geburt - Hilfe für Schwangere in Notlagen

Früher wurden Babys ausgesetzt oder gar getötet, wenn Frauen Schwangerschaften verheimlichen wollten. Heute gibt es andere Optionen, inkognito Kinder zur Welt zu bringen. Eine ist nun zehn Jahre alt.

Vertrauliche Geburten
Immer wieder entscheiden sich Frauen in Notlagen, ihr Neugebornes nicht großzuziehen. Dass sie nach eingehender Beratung medizinisch sicher und vertraulich gebären können, dafür sorgt seit Jahren die anonyme Geburt. (Archiv-Bild) Foto: Uli Deck/DPA
Immer wieder entscheiden sich Frauen in Notlagen, ihr Neugebornes nicht großzuziehen. Dass sie nach eingehender Beratung medizinisch sicher und vertraulich gebären können, dafür sorgt seit Jahren die anonyme Geburt. (Archiv-Bild)
Foto: Uli Deck/DPA

 

 

Stuttgart (dpa/lsw) - Seit Einführung der anonymen Geburt vor zehn Jahren ist diese Möglichkeit, vertraulich zu gebären, im Südwesten nur wenig genutzt worden. Laut Sozialministerium gab es 84 Fälle, in denen Mütter sich unmittelbar nach der Geburt im Krankenhaus oder bei einer Hebamme von ihren Babys trennten, ohne persönliche Daten preiszugeben. Wie das Ressort in Stuttgart weiter mitteilte, steht die Erhebung für 2023 noch aus. 

Die anonyme Geburt wurde am 1. Mai 2014 eingeführt, um Kindstötungen und 
-aussetzungen zu verhindern und eine legale Alternative zur Babyklappe zu schaffen. Während der Schwangerschaft und nach einer vertraulichen Geburt beraten, betreuen und begleiten die bundesweit 1600 Schwangerschaftsberatungsstellen die Frauen in Notlagen. Entscheidet sich eine Frau, trotz eingehender Beratung ihr Kind dauerhaft abzugeben, wird es zur Adoption freigegeben. 

Recht auf Wissen um leibliche Mutter

Die Beratungsstellen nehmen die Personalien der Schwangeren vertraulich auf, verschließen sie sicher in einem Umschlag und schicken diesen dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Vertraulich geborene Kinder können dann 16 Jahre danach ihre Herkunft erfragen - ein Schritt, der nach Überzeugung von Fachleuten für die Persönlichkeitsentwicklung besonders wichtig ist.

Ergänzend hat der Bund das Hilfetelefon »Schwangere in Not« eingerichtet. Seit nunmehr zehn Jahren bietet es unter der Nummer 0800 40 40 020 rund um die Uhr und in 19 Sprachen einen niederschwelligen Zugang zu Beratungsstellen. In Baden-Württemberg gibt es landesweit 123 Anlaufpunkte in konfessioneller, freier und kommunaler Trägerschaft. In allen wurde nach Ministeriumsangaben mindestens eine Beratungsfachkraft gesondert für die Durchführung einer vertraulichen Geburt geschult.

Babyklappen letztes Mittel in der Not 

Frauen können ihre Kinder nach der Geburt auch in einer Babyklappe abgeben. Eine offizielle Statistik zu den Babyklappen gibt es nicht. Nach Angaben der Jugendämter aber sind seit Einrichtung der ersten Babyklappe im Jahr 2001 bis Februar 2022 insgesamt 116 Neugeborene in den Babyklappen in Baden-Württemberg abgegeben worden. Dieses Angebot für verzweifelte Frauen existiert in acht Städten - Karlsruhe, Stuttgart, Pforzheim, Mannheim, Lörrach, Villingen-Schwenningen, Singen und Friedrichshafen.

Nach Ansicht des Bundesfamilienministeriums hat sich die anonyme Geburt, deren Kosten der Bund übernimmt, bewährt. Seit der Einführung vor zehn Jahren seien mehr als 3500 Beratungen zum Thema in Schwangerschaftsberatungsstellen erfolgt. Etwa 28 Prozent der Frauen entschieden sich den Angaben zufolge für eine vertrauliche und damit sichere Geburt, etwa 40 Prozent dafür, ihr Kind selbst großzuziehen.

© dpa-infocom, dpa:240714-930-173127/1