Gasthöfe auf dem Land sind Anziehungspunkt für Touristen und Einheimische gleichermaßen: Doch die Zahl der Kommunen im Südwesten, in denen es sehr wenige oder gar keine Gastrobetriebe gibt, ist zuletzt merklich gestiegen. Das zeigt eine Sonderauswertung des Statistischen Landesamtes für den Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), die der Deutschen Presse-Agentur vorlag. 2021 gab es demnach 189 Städte und Gemeinden im Land, die weniger als einen Profibetrieb je 1000 Einwohner aufweisen konnten. Das sind rund zwei Drittel mehr als 2017, damals waren es 114 Kommunen gewesen.
Die Einwohnerinnen und Einwohner von 48 dieser Gemeinden mussten 2021 demnach komplett auf Restaurants, Cafés und Co. verzichten. Das waren 37 Prozent mehr als im Jahr 2017, als deren Zahl noch bei 35 lag. In diesem Zeitraum stieg die Zahl der nach Angaben des Dehoga gastronomisch unterversorgten Kommunen von 10,4 auf 17,1 Prozent. In Baden-Württemberg gibt es insgesamt 1101 Städte und Gemeinden.
Das Gasthaus-Sterben betrifft insbesondere kleine Gemeinden: Von den 48 Gemeinden ohne Profibetrieb hatten alle weniger als 3000 Einwohner, der Großteil sogar weniger als 1000. Am höchsten war die Restaurantdichte hingegen in touristischen Orten wie der Gemeinde Feldberg im Schwarzwald oder Hagnau am Bodensee. Die beste Großstadt war Ulm mit etwa dreieinhalb Betrieben auf 1000 Einwohner. Stuttgart kam auf ungefähr drei. Landesweit gab es 2021 rund 27.500 Betriebe und damit etwa 2,5 Restaurants je 1000 Einwohner. Für das Jahr 2022 lagen noch keine Daten vor.
Dem Gasthaus-Sterben aktiv entgegentreten
»Dass es im ländlichen Raum immer weniger geöffnete Gasthäuser gibt, ist ein ernstes Problem - nicht nur für die Tourismuswirtschaft im Land, sondern auch für die Lebensqualität und das soziale Miteinander in Dörfern und kleinen Gemeinden«, sagte der Dehoga-Vorsitzende Fritz Engelhardt. Er forderte die Landesregierung auf, dem Gasthaus-Sterben aktiv entgegenzutreten - etwa, indem sie sich mit hoher Priorität für eine dauerhafte Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie einsetzt.
Dies sei für den Erhalt der gastronomischen Vielfalt im ländlichen Raum existenziell, sagte er. Bereits während der Corona-Krise hätten mehr als 5000 Betriebe aufgeben müssen. Aktuell würden Investitionen und Betriebsübergaben an die junge Generation an den erheblich gestiegenen Kosten scheitern. Sollte die Mehrwertsteuer angehoben werden, könnten rund 2000 weitere Betriebe schließen. »Dann wird es noch viel mehr Dörfer im Land geben, in denen es kein geöffnetes Gasthaus mehr gibt«, sagte Engelhardt.
Fortsetzung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes gefordert
»Das Gaststättensterben auf dem Land - aber nicht nur dort - würde sich durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer weiter beschleunigen, und viele weitere Betriebe würden mutmaßlich aufgeben«, teilte Patrick Rapp (CDU), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Baden-Württembergs, mit. Weitere Preiserhöhungen dürften für viele Betriebe kaum durchsetzbar sein. Die Bundesregierung sollte eine Entscheidung hierzu möglichst zeitnah treffen, »um der um sich greifenden Verunsicherung der Gastronomiebetriebe endlich wirksam entgegenzuwirken«. Bereits Ende Juni hatte sich Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) für eine Fortsetzung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes ausgesprochen.
Die Umsatzsteuer auf Speisen war während der Corona-Pandemie von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden. Ursprünglich war die Regelung bis Ende 2022 befristet, wurde angesichts der Energiekrise aber bis Ende 2023 verlängert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in der vergangenen Woche auf den Haushaltsentwurf seiner Regierung verwiesen und gesagt, dass es bis Jahresende eine Entscheidung des Bundestags geben solle. Ein dauerhaft ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Essen im Restaurant würde den Bundeshaushalt sowie die Etats der Länder und Gemeinden belasten. Zuletzt gingen dem Staat dadurch im Jahr nach Angaben aus der Ampel-Koalition in Berlin gut drei Milliarden Euro verloren. Einer Verlängerung der jetzigen Regelung müssten Bundestag und auch die Länder im Bundesrat zustimmen.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) vertritt die Interessen von Gastronomen und Hoteliers. Ihm gehören im Land mehr als 12.000 Unternehmer an. (dpa)