Sven Mislintat klatschte Interimstrainer Michael Wimmer mit zusammengepressten Lippen ab. Das 0:5 bei Borussia Dortmund hatte dem Sportdirektor des VfB Stuttgart zugesetzt. Sein Entschluss bei der immer noch ungeklärten Trainerfrage stand aber schon längst fest. Die Verantwortlichen des Fußball-Bundesligisten vertrauen Wimmer nun doch bis zur WM-Pause im November.
Der 42-Jährige darf bei den Schwaben noch vier weitere Spiele als Chef agieren - mindestens. »Die Höhe der Niederlage ändert nichts an unserer Bewertung. Wir haben uns sehr klar dazu entschieden, mit Michael Wimmer in die Winterpause zu gehen«, sagte Mislintat trotz der deutlichen Niederlage in Dortmund.
Es drängt sich dennoch die Frage auf, weshalb Mistlintat und Co. inzwischen anders planen. Möchten sie einem externen Coach die Möglichkeit geben, eine komplette Vorbereitung zu absolvieren oder wollen sie herausfinden, ob Wimmer für größere Aufgaben der richtige Mann ist? Ursprünglich wollte Mislintat »schnell, die genaueste und bestmögliche Lösung« finden, nachdem der VfB Pellegrino Matarazzo als Trainer freigestellt hatte. Wenige Tage nach dem Abschied des Italoamerikaners war Mislintat noch »guter Dinge« gewesen, einen neuen Trainer rasch präsentieren zu können.
Offenbar gestaltet sich die Suche aber schwieriger als zunächst vermutet, denn inzwischen sind fast zwei Wochen vergangen. Namen wie Sebastian Hoeneß, der zuletzt die TSG 1899 Hoffenheim coachte, und der langjährige Assistent von Thomas Tuchel, Zsolt Löw, wurden nur kurzzeitig medial diskutiert. Viel mehr sah es so aus, als würde es auf einen Zweikampf zwischen Jess Thorup und Alfred Schreuder hinauslaufen.
Thorups Vorteil: Der Däne ist nach seiner Freistellung beim FC Kopenhagen vereinslos. Er soll bereits Gespräche bei den Stuttgartern geführt haben. Er könnte aber vom Markt sein, wenn ein anderer Verein Interesse bekunden sollte. »Das Risiko, dass jemand nicht mehr verfügbar ist, gehen wir ein«, sagte Mislintat, ohne den Namen zu bestätigen.
Alfred Schreuder, der die Bundesliga aus seiner Zeit bei Hoffenheim kennt, betreut Ajax Amsterdam und führt mit dem Champions-League-Teilnehmer auch die heimische Liga an. In sportlicher Hinsicht wäre ein Wechsel zum VfB wohl als Abstieg zu werten, wenngleich die Eredivisie eine geringere Strahlkraft als die Bundesliga besitzt. Schreuder, der ebenfalls nur Medienberichten zufolge mit dem VfB in Verbindung gebracht wird, bestritt jedoch sein Interesse an einer Rückkehr nach Deutschland. »Das mit Stuttgart habe ich auch mitbekommen. Ich soll da auch auf einer Liste gestanden haben. Ich bin bei Ajax. Das ist ein fantastischer Club. Ich habe hier eine gute Zeit«, sagte er.
Bis Samstag hatte auch Wimmer eine gute Zeit. Unter seiner Leitung gewannen die Schwaben in der Liga mit 4:1 gegen den VfL Bochum und mit 6:0 gegen Arminia Bielefeld im DFB-Pokal. Das 0:5 in Dortmund war der erste Rückschlag. »Die beiden Male, wo er es unter maximalem Druck machen musste, hat er es sehr gut gemacht«, sagte Mislintat.
Auch die Mannschaft sprach sich bisher für einen Verbleib des Niederbayers aus. Wohl auch deswegen eröffnet Mislintat dem langjährigen Co-Trainer von Matarazzo und dessen Vorgänger Tim Walter die Möglichkeit vor dem wegweisenden Spiel am Samstag beim FC Augsburg (15.30 Uhr/Sky). »Er ist einer der Kandidaten. Michi kann sich weiter die Chance erspielen, es zu behalten.«
Auch Mislintats Zukunft ist immer noch nicht geklärt. Der Vertrag des 49-Jährigen läuft im Juni 2023 aus. Auch hier sind Gespräche für November angedacht.
Obwohl der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle und Mislintat dementieren, dass es im Hintergrund rumort. Einiges lässt inzwischen darauf schließen, dass die weitere Zusammenarbeit mit Michael Wimmer als Chefcoach auch mit der Zukunft von Mislintat zusammenhängt. Durch die in Dortmund verkündete Entscheidung hat sich der VfB zumindest Zeit verschafft.
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