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Aktuell INTERVIEW

Wieso Oldtimer faszinieren

Der Chefredakteur des Magazins Motor Klassik erklärt, warum sich Menschen für alte Autos begeistern

Für Hans-Jörg Götzl ist sein Porsche 911 aus dem Jahr 1972 zum Familienmitglied geworden.  FOTO: PRIVAT
Für Hans-Jörg Götzl ist sein Porsche 911 aus dem Jahr 1972 zum Familienmitglied geworden. Foto: privat
Für Hans-Jörg Götzl ist sein Porsche 911 aus dem Jahr 1972 zum Familienmitglied geworden.
Foto: privat

REUTLINGEN. Für viele Menschen sind Oldtimer einfach nur alte Autos, die auch noch rosten. Fans dieser alten Karossen dagegen sehen darin viel mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Der Chefredakteur des Oldtimermagazins Motor Klassik erklärt, was hinter der Faszination steckt.

GEA: Herr Götzl, Sie sind Chefredakteur vom Oldtimermagazin Motor Klassik in Stuttgart. Welches Auto fahren Sie privat?

 

Hans-Jörg Götzl: Als Klassiker fahre ich einen Porsche 911 aus dem Jahr 1972, und zwar in Orange. Wobei man dazu sagen muss, dass ich das Auto vor 25 Jahren gekauft habe. Damals war das einfach nur ein alter gebrauchter Porsche. Der preisliche und imagemäßige Höhenflug kam erst viel später. Alle drei Kinder sind darin groß geworden, und meine Frau ist damit zur Schwangerschaftsgymnastik gefahren. Das Auto war mit uns in halb Europa auf Oldtimer-Rallyes unterwegs. Es ist ein echtes Familienmitglied.

Was ist eigentlich genau ein Oldtimer?

Götzl: In Deutschland bekommt ein Auto, sobald es dreißig Jahre alt ist und sich in einem guten optischen Originalzustand befindet, ein H-Kennzeichen. Damit ist es offiziell ein Oldtimer. Es gibt aber auch Fans, die bei diesen Fahrzeugen aus dem Jahr 1992 den Lack und den Chrom von richtig alten Autos vermissen.

Wie groß ist die Oldtimer-Szene?

Götzl: In Deutschland haben wir mit Stand 1. Januar 648 360 Fahrzeuge mit H-Kennzeichen. Darüber hinaus gibt es Menschen, die beispielsweise ein Auto aus dem Jahr 1989 fahren, das auch ein H-Kennzeichen haben könnte. Doch der Besitzer verzichtet darauf, weil er das alte Kennzeichen schöner findet oder weil er eine besonders prägnante Buchstabenkombination hat. Das heißt, die eigentliche Anzahl an Autos, die älter als 30 Jahre sind, ist wesentlich höher.

Wieso sind Menschen von Oldtimern fasziniert? Es sind doch einfach nur alte Autos, die auch noch rosten?

Götzl: Das hängt mit der Nostalgie zusammen. So wie viele Menschen von Schlössern oder alten Uhren fasziniert sind, freuen sich andere eben über schöne alte Autos.

Gibt es Unterschiede zwischen den Ländern?

Götzl: Lange Zeit gab es einen großen Unterschied zwischen Deutschland und England, das als Mutterland der Vergangenheitsverehrung galt. Der englische Autor Nigel Barley hat in dem Buch »Traurige Insulaner« sein eigenes Volk aus Sicht eines Ethnologen beschrieben. An einer Stelle schreibt er: Wären wir Deutsche, würden wir alles Neue als gut betrachten und das Alte ablehnen. In England galt etwas Altes grundsätzlich als gut, weil es ja so lange gehalten hat und insofern von hoher Qualität sein musste. Das Neue muss sich hingegen erst noch bewähren. Mittlerweile hat sich die Einstellung verändert. Auch in Deutschland wird das Alte geschätzt.

»Das umweltfreundlichste Auto ist immer das schon gebaute Auto«

 

Und was ist so schön an Oldtimern?

Götzl: Zur Faszination zählt sicher eine überschaubare und anschauliche Technik, die man versteht. Wenn man die Motorhaube aufmacht, sieht man nicht einen Haufen Plastik, sondern einen Motorblock. Man kann die Zylinder zählen, sieht den Vergaser, die Zündkerzen und den Bremskraftverstärker. Es ist eine einfache Technik, die man in der Regel auch leicht reparieren kann. Zudem ist ein Oldtimer oft auch ein Bekenntnis zur Entschleunigung.

Fährt man mit Oldtimern auch in den Urlaub?

Götzl: Es gibt sehr viele Menschen, die das machen. Ich zähle auch dazu. Es fährt ja immer ein Stück Vergangenheit mit. Zudem kauft man sich einen Oldtimer, weil man grundsätzlich das Fahren mit einem alten Auto mag. Und gerade im Urlaub hat man Zeit, es zu genießen.

Sind Oldtimer auch ein Status-Symbol oder ein Symbol für einen besonderen Lifestyle?

Götzl: Das ist unbestritten. Es gibt Menschen, die kaufen sich beispielsweise einen alten Ford 17 m oder einen Opel Kadett, weil er sie daran erinnert, wie sie auf der Rückbank auf klebrigen Sitzen in kurzen Hosen saßen und mit den Eltern nach Italien in den Urlaub fuhren. Sie kaufen sich das Auto ihrer Väter. Ein Motiv ist auch, dass man als erwachsener Mann das Auto erwirbt, von dem man als Junge geträumt hat, das man sich aber nicht leisten konnte. Das ist dann der alte Daimler oder Porsche aus der Kindheit, bei dem man sich die Nase an der Schaufensterscheibe des Autohauses platt gedrückt hat. Teure Oldtimer wie ein Ferrari sind oft ein Statussymbol. Da geht es um Prestige und persönlichen Lifestyle.

Kann ein Oldtimer auch eine Geldanlage sein?

Götzl: Sie können jeden Oldtimerbesitzer ärgern, wenn sie fragen, wie viel das Auto kostet. Dann wird er meist schmallippig. Niemand will, dass sein Hobby auf das rein Finanzielle reduziert wird. Manche möchten auch einfach nicht zugeben, dass in ihrer Garage ein Auto steht, das über eine Million Euro kostet.

Wie wertstabil sind Oldtimer?

Götzl: Oldtimer behalten normalerweise ihren Wert. Wenn man etwas Glück hat, steigt der Wert in Höhe der Inflation. Und wenn man viel Glück hat, werden sie überproportional viel Wert, weil ein bestimmtes Modell besonders gesucht ist.

Lohnt es sich beispielsweise, einen alten Opel Kadett in die Garage zu stellen und auf den Wertzuwachs zu hoffen?

Götzl: Nehmen wir einen Opel Kadett für 10 000 Euro. Mit sehr viel Glück beträgt der Wertzuwachs 50 Prozent in drei Jahren. Dann reden wir von 5 000 Euro. Doch in diesen drei Jahren verursacht der Wagen Kosten für Reparatur, Versicherung, Steuer, Reifen und Garagenmiete. Da sind die 5 000 Euro schnell aufgebraucht. Wenn hingegen ein Ferrari im Wert von fünf Millionen um 20 Prozent steigt, reden wir von einer Million. Dazu muss man aber erst einmal fünf Millionen Euro investieren und genau das Modell erwischen, das so gefragt ist.

Können Sie ein gutes Gewissen haben mit Blick auf Klimaschutz, wenn Sie mit Ihrem alten Porsche eine Ausfahrt machen?

Götzl: Ich glaube schon. Wir haben in der aktuellen Ausgabe unseres Magazins geprüft, wie umweltfreundlich Oldtimer sind. Die jährliche Kilometerleistung liegt bei unter 2 000 Kilometer. Der Durchschnittsverbrauch beträgt bei einem Käfer 7,8 Liter, bei einem Mercedes w123 sind es 8,2 Liter und bei einem Alfa Romeo 2000 Spider schon 10,2 Liter. Das waren Praxisverbräuche, die wir ermittelt haben. In alten Tests werden viel höhere Verbräuche angegeben. Doch bei einem Oldtimer gibt man nicht so viel Gas. Das erklärt den Unterschied. Das umweltfreundlichste Auto ist immer das schon gebaute Auto. Wir haben die Umweltbelastung von einem alten BMW 2002 mit der eines neuen E-Autos verglichen. Dabei wurde die Energie für das Restaurieren, das Lackieren und neue Reifen eingerechnet. Das Ergebnis: Sie können den alten BMW restaurieren und etwa 30 Jahre lang fahren, bis Sie den CO2-Rucksack für die Produktion des E-Autos aufgebraucht haben. Und da ist das E-Auto noch keinen einzigen Meter gefahren. Oldtimer-Fahrer müssen kein schlechtes Klimagewissen haben. (GEA)         Seite 7