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Wie Telefonbetrüger es mit neuer und dreisterer Masche versuchen

Dreiste Betrüger versuchen per Telefon, E-Mail, SMS oder Whatsapp, an das Geld ihrer Opfer zu kommen. Jetzt arbeiten sie offenbar mit Kinderschreien. Ein Beispiel.

Unbekannte Täter haben versucht, eine Mutter von einem schlimmen Unfall zu überzeugen. Sie ist glücklicherweise nicht drauf rein
Unbekannte Täter haben versucht, eine Mutter von einem schlimmen Unfall zu überzeugen. Sie ist glücklicherweise nicht drauf reingefallen. FOTO: DPA/STROBELWEIT
Unbekannte Täter haben versucht, eine Mutter von einem schlimmen Unfall zu überzeugen. Sie ist glücklicherweise nicht drauf reingefallen. FOTO: DPA/STROBELWEIT

STUTTGART. Der Anruf kommt am Donnerstagvormittag gegen 10 Uhr mit unterdrückter Rufnummer. Als die Stuttgarterin den Hörer abnimmt, erstarrt sie. Am anderen Ende der Leitung ist ein schreiendes Kind. »Es war völlig panisch, hat um Hilfe gerufen«, erzählt die Frau. Eine Situation, die für eine Mutter ohnehin schwer zu ertragen ist. Und erst recht, wenn die Stimme große Ähnlichkeit mit der des eigenen Sohns hat. Der ist acht Jahre alt und sollte zu diesem Zeitpunkt eigentlich in der Schule sein. Was ist passiert? »Mir sind fürchterliche Bilder durch den Kopf gegangen«, sagt die Betroffene. Sie spricht das Kind mit dem Namen ihres Sohns an, versucht, es zu beruhigen und gleichzeitig selbst wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

»Mein Verstand war völlig ausgeschaltet«

Doch das Kind reagiert nicht. Stattdessen gibt es den Hörer an eine vermeintliche Polizistin weiter. Die heißt angeblich König und hat einiges zu sagen. Es sei ein furchtbarer Unfall passiert, und sie müsse jetzt erst einmal die Daten abgleichen. Sie will zum Beispiel das Geburtsdatum des Kindes wissen – und ob es sich um einen Sohn oder eine Tochter handelt. »Erst da kamen mir Zweifel. Bis dahin war mein Verstand völlig ausgeschaltet«, erzählt die Mutter. Sie legt auf.

Doch die Panik ist damit nicht vorbei. Sie beschließt, in die Grundschule zu fahren und sich davon zu überzeugen, dass nichts passiert ist. Sowohl die Schulleitung als auch andere Leute, die sie dort trifft, wissen nichts von einem Zwischenfall. Die Mutter geht schließlich ins Klassenzimmer. »Unser Sohn saß quicklebendig im Musikunterricht.« Er ist irritiert, als die Mama auftaucht. Sie holt ihn aus dem Unterricht, um den Auftritt in einfachen Worten zu erklären – und um ihn fest zu drücken. »Das musste ich in diesem Moment einfach tun«, sagt sie.

Dass angebliche Söhne, Töchter oder Enkel anrufen, die sich in einer Notsituation befinden, um vorwiegend älteren Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, kommt seit vielen Jahren häufig vor. Der sogenannte Enkeltrick hat schon viele Opfer gefunden, die Schmuck oder Bargeld an Abholer oder falsche Polizeibeamte übergeben haben. Selbst das Stuttgarter Amtsgericht hat schon als Kulisse für solche Betrugsgeschichten herhalten müssen. Im Normalfall handelt es sich bei den Anrufern aber um Erwachsene, die durch geschickte Gesprächsführung die Opfer in Angst versetzen und ihnen Details entlocken.

Dass sich Kinder melden, ist dagegen relativ neu. Die Polizei verzeichnet immer wieder solche Fälle. Die Geschichten variieren. »Manchmal wird sogar erzählt, dass eine schwangere Frau verletzt worden ist«, so eine Polizeisprecherin. Die Masche des Schockanrufs kenne viele Varianten. Unklar ist, ob es sich bei den Anrufen mit Kindern tatsächlich um echte Kinder handelt, die für die Verbrechen missbraucht werden, oder ob die Täter die panischen Schreie nur einspielen. Durch Mark und Bein gehen sie den Betroffenen so oder so.

Der Vorfall vom vergangenen Donnerstag hat noch ein Nachspiel. An der betroffenen Grundschule in einem Stuttgarter Filderbezirk wird es wohl ein Rundschreiben an die Eltern geben, das vor der Masche warnt. Die allerdings hat mutmaßlich nichts mit bestimmten Familien, Orten oder Schulen zu tun. Die Opfer werden im Normalfall rein zufällig ausgewählt. »Als ich auf dem Weg zur Schule war, fiel mir plötzlich ein, dass das Haus jetzt ja leer ist«, sagt die Mutter. Von Einbrüchen nach solchen Anrufen weiß die Polizei allerdings nichts. Es geht rein darum, sich von den Opfern Bargeld oder Wertgegenstände übergeben oder sich Geld überweisen zu lassen.

»Da wurde mir klar, dass das Haus ja völlig leersteht«

Die betroffene Mutter hat Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Verfolgung der Täter ist allerdings schwierig. Die Drahtzieher sitzen meist im Ausland, es sind umfangreiche Ermittlungen notwendig, die aber zumindest hin und wieder auch zum Erfolg führen. Wichtig jedoch ist, auf verdächtige Anrufe niemals einzugehen und sich auf andere Weise rückzuversichern, dass alles in Ordnung ist. Echte Polizisten holen niemals Geld ab.

Die Stuttgarterin wird wohl noch eine Weile brauchen, um sich von dem Schock zu erholen. »Das ist eine schreckliche Masche. Was sind das nur für Leute, die so etwas tun?«, sagt sie. (GEA)