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Weniger Teilzeit und weniger Sabbatjahr für Lehrkräfte

Mehr als 56 Prozent der Lehrkräfte im Südwesten arbeiten in Teilzeit - und das trotz des Lehrermangels. Kultusministerin Schopper will das Recht auf Teilzeit nun einschränken - greift aber nicht zu allen »Giftzähnen«, wie sie sagt.

Lehrerin
Eine Lehrerin schreibt im Mathematikunterricht einer achten Klasse an eine Schultafel. Foto: Julian Stratenschulte
Eine Lehrerin schreibt im Mathematikunterricht einer achten Klasse an eine Schultafel.
Foto: Julian Stratenschulte

Im Kampf gegen den Lehrermangel an Schulen im Südwesten wagt sich das Land an eine »heilige Kuh«: Lehrkräfte sollen bald nur noch begründet weniger als 75 Prozent arbeiten dürfen. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) will das Teilzeitmodell vom Schuljahr 2024/2025 an einschränken, wie sie am Freitag bekanntgab. Teilzeitlösungen wegen Elternzeit, Pflegezeit oder aus familiären Gründen werden aber nicht angetastet. Zuerst hatte der Südwestrundfunk aus dem Entwurf des Ministeriums zitiert. Das Paket aus fast 18 Punkten ist bereits in der grün-schwarzen Koalition abgestimmt.

Man sei mit der 75-Prozent-Schwelle in einem moderaten Modus, sagte Schopper. »Wir haben nicht den Giftzahn ausgepackt, dass wir sagen, wir gehen auf hundert Prozent hoch.« Auch zu anderen »Giftzähnen« habe man nicht gegriffen, wie etwa eine Erhöhung des Klassenteilers. Trotz des deutlichen Personalmangels sind nach Angaben des Kultusministeriums mit 56 000 mehr als die Hälfte aller Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in Teilzeit. 14 000 davon aus »sonstigen Gründen« - und genau um die geht es nun.

Es gibt aber durchaus noch weitere Schrauben, an denen die Kultusministerin dreht: Eine davon ist die Durchzahlung während der Sommerferien, von der in diesem Jahr schon mehr als 2800 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer profitieren werden. Außerdem werden die Abstände von sogenannten Sabbatjahren gestreckt. Demnach muss man erst fünf Jahre arbeiten, bevor man ein Sabbatjahr beantragen kann. Den Angaben zufolge sind im laufenden Schuljahr mehr als 900 Sabbaticals genehmigt.

Und auch bei den Referendaren ändert sich etwas: Sie sollen künftig eine Stunde mehr pro Woche unterrichten, im Gegenzug entfällt eine Art Hausarbeit - die »Dokumentation einer Unterrichtseinheit«. Hinzu kommen Unterstützungsangebote. So soll es die Möglichkeit geben, dass »qualifizierte Leute« aus Musikschulen im Ganztag den Unterricht in diesen Fächern übernehmen und die Lehrkräfte so entlasten. Außerdem soll es mehr Pädagogische Assistenten und 250 FSJler im pädagogischen Bereich geben.

Landesbeamte haben in Baden-Württemberg bislang grundsätzlich Anspruch darauf, in Teilzeit bis zu 50 Prozent zu arbeiten. Ein Antrag auf Teilzeit kann nur abgelehnt werden, wenn zwingende dienstliche Gründe dem entgegenstehen. Der Lehrermangel soll nun als dienstlicher Grund gelten, das Beamtengesetz muss dafür nicht geändert werden. Mithilfe eines Erlasses gebe man nun die Richtlinie vor, wer weniger als 75 Prozent arbeiten darf, erläuterte Schopper.

Insgesamt will Schopper mit dem Paket mehr als 500 Deputate - also Unterrichtsstunden - heben. Den größten Batzen macht die neue Teilzeitregel aus, allein durch diese Veränderung lassen sich laut Schopper rund 300 Deputate schaffen. Trotzdem kommen ihre Pläne bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nicht gut an: »Die Landesregierung hat nicht erkannt, dass sich der Arbeitsmarkt verändert und sie attraktive Arbeitsplätze insbesondere für die Generation Z anbieten muss«, sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. Folge der Pläne sei, dass sich noch weniger junge Menschen für den Arbeitsplatz Schule entscheiden.

Eine Überraschung ist die Entscheidung des Ministeriums allerdings nicht. Schopper hatte sich nie als Anhängerin der Teilzeit-Option gezeigt. Vor einer Woche bezeichnete sie die Regelungen für Lehrerinnen und Lehrer noch als komfortabel. Das sei in der Lebensrealität vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht üblich. Auch werde der öffentliche Druck größer.

SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei bezeichnete die Entscheidung des Kultusministeriums als »Eingeständnis katastrophaler Zustände nach jahrelanger grüner Sparwut und gescheiterter Personalplanung«. Die Situation an den Schulen könne nun sogar noch schlimmer werden. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf der Landesregierung vor, diese habe ein Versprechen gebrochen. »Mitte letzten Jahres sicherte die Landesregierung noch zu, man werde die Idee der Einschränkung von Lehrerteilzeit nach entsprechender Prüfung nicht weiterverfolgen«, sagte Rülke.

Der Grünen-Bildungsexperte Thomas Poreski lobte, das Ministerium habe einen Plan »mit Kreativität und Weitblick« entworfen. »Die Botschaft lautet: Wir bündeln alle Kräfte, damit Lehrerinnen und Lehrer sich besser auf ihre Kernarbeit konzentrieren können - den Unterricht.«

Der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg teilte mit, die geplanten Einschränkungen verunsicherten viele Lehrkräfte. Gut sei aber, dass Schopper den Klassenteiler unangetastet lasse. Auch der Verband Bildung und Erziehung monierte, Teilzeit sei eine attraktive Komponente des Berufs.

Für Schopper bleibt die Abwägung: Immerhin rund 6000 Stellen müssten in diesem Jahr eigentlich besetzt werden, das seien »echte Herausforderungen« und schon »ein Haufen Holz«. Sie setze aber auch auf Freiwilligkeit. Ihr scharf kritisierter Brief aus dem vergangenen Jahr, in dem sie mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann Lehrkräfte gebeten hatte, sich zu überlegen, ob diese nicht im kommenden Schuljahr »eine, zwei oder vielleicht sogar drei zusätzliche Stunden unterrichten« oder ihren anstehenden Ruhestand hinausschieben könnten, habe immerhin rund 400 Deputate eingebracht.

© dpa-infocom, dpa:230331-99-156496/5