Ellwangen (dpa) - Nach der Großrazzia in der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen werden die Ermittlungen gegen mehrere Asylsuchende fortgesetzt. Einige von zunächst 27 vorläufig festgenommenen Personen stehen nach Polizeiangaben im Verdacht, sich durch aktive Widerstandshandlungen strafbar gemacht zu haben.
Ihnen drohen Anzeigen und Strafverfahren. Der massive Einsatz am Donnerstag war eine Reaktion der Polizei auf das teils gewalttätige Vorgehen von bis zu 200 Flüchtlingen, die damit am Montag die Abschiebung eines 23 Jahre alten Mannes aus Togo nach Italien verhinderten. Der Mann wurde am Donnerstag gefasst und kam in Abschiebehaft.
Am Donnerstag hätten sich mehr als 20 Asylsuchende der Kontrolle durch die Polizei widersetzt, teilte das Polizeipräsidium in Aalen mit. Zudem wurden Ermittlungsverfahren wegen Drogendelikten, Diebstahls und Hausfriedensbruchs eingeleitet. Bis zu 15 mutmaßliche Rädelsführer der gewalttätigen Übergriffe vom Montag wurden in andere Flüchtlingseinrichtungen gebracht, um in Ellwangen ein erneutes organisiertes Vorgehen gegen die Sicherheitskräfte zu verhindern.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, beim Thema Abschiebungen dürften keine falschen Signale in die Herkunftsländer gesendet werden. »Deshalb brauchen wir eine harte und konsequente Abschiebepolitik.« Noch immer gebe es Bundesländer, die nicht mit der nötigen Konsequenz abgelehnte Asylbewerber zurückschickten. Er erwarte, dass alle Länder, auch die SPD-geführten, das geltende Recht durchsetzen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer bezeichnete den am Montag erzwungenen Rückzug der Polizei aus der Unterkunft als »Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung«. Der CSU-Politiker sagte in Berlin, derartige Widerstandshandlungen müssten »mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden«.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lobte den Polizeieinsatz am Donnerstag. Die Opposition warf der grün-schwarzen Landesregierung Versagen vor.
Kritik äußerten auch Aktivisten der Flüchtlingshilfe. Pater Reinhold Baumann vom Freundeskreis Asyl erklärte, der Großeinsatz am Donnerstag sei unverhältnismäßig gewesen. Der zur Abschiebung anstehende Mann aus Togo sei »kein Schwerverbrecher oder Untergetauchter« gewesen. »Man hat ihn ja dort gefunden.«
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte in der »Passauer Neuen Presse« (Freitag) mit Blick auf die Vorfälle vom Montag: »Diejenigen, denen man Straftaten nachweisen kann, müssen in Untersuchungshaft und sollten die Freiheit erst wieder erlangen, wenn sie den Boden ihrer eigenen Heimat betreten. Das wäre das richtige Signal.«
Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Mathias Middelberg, verlangte Konsequenzen: »Die Taten müssen auch Auswirkungen auf die Asylverfahren dieser Personen haben«, sagte der CDU-Politiker der »Rheinischen Post« (Freitag).
Besorgt zeigte sich der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU): »Von einer Situation wie in Ellwangen geht kein gutes Signal aus. Da verstehe ich die Leute, die sagen: Wir müssen die Lage in Deutschland im Griff haben«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, warnte nach dem Vorfall in Ellwangen vor den vom Bund geplanten Asyl- und Abschiebezentren. »Ankerzentren machen es erst möglich, dass solche Strukturen und Dynamiken entstehen, wie wir sie jetzt in Ellwangen erlebt haben«, sagte er »Focus Online«.
In der Flüchtlingsunterkunft sind aktuell nach Angaben der Stadtverwaltung 490 Menschen untergebracht, 292 davon habe die Polizei am Donnerstag kontrolliert, teilte ein Sprecher mit. 26 Asylsuchende wollten demnach flüchten, 11 sprangen aus einem Fenster. Die Flucht sei ihnen aber nicht gelungen.
Bei dem Einsatz wurden einer Gesamtbilanz der Polizei zufolge zwölf Menschen leicht verletzt - elf Bewohner der Unterkunft und ein Beamter. Bei mehreren Flüchtlingen seien Drogen sowie mehr Bargeld als die normalerweise zulässigen 350 Euro gefunden worden.