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Weißer Ring sucht Berater mit Herz für Opfer

Facebook und Instagram sollen dem Weißen Ring helfen, mehr Menschen für den Opferschutz zu gewinnen. Fast zwei Drittel seiner Berater sind über 60. Potenzial sieht die Hilfsorganisation bei jungen Leuten.

Hartmut Grasmück - Landesvorsitzender Weisser Ring
Hartmut Grasmück, Landesvorsitzender der Hilfsorganisation Weisser Ring für Kriminalitätsopfer und ihre Familien in Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Hartmut Grasmück, Landesvorsitzender der Hilfsorganisation Weisser Ring für Kriminalitätsopfer und ihre Familien in Baden-Württemberg.
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Die Opferschutzorganisation Weißer Ring sucht dringend ehrenamtliche Mitarbeiter für ihre 38 Außenstellen in Baden-Württemberg. »Mein Ziel in diesem Jahr ist es, die Zahl von derzeit 277 Beratern auf 300 zu erhöhen«, sagte Vereinschef Hartmut Grasmück der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Sorgen bereiten dem Ex-Polizisten vor allem fehlende Leiter und Leiterinnen, die die Arbeit koordinieren und Nachwuchs gewinnen können.

Führungslos sind den Angaben nach derzeit fünf Standorte, darunter Reutlingen, Ludwigsburg und Calw. Konstanz sei seit mehreren Jahren vakant, Mannheim seit zwei Monaten. Beiträge des Weißen Rings in sozialen Medien sollen die Aufmerksamkeit für das Thema der seit der Corona-Pandemie wachsenden häuslichen Gewalt und den erforderlichen Schutz der Betroffenen erhöhen.

Jeder Mitarbeitende habe jährlich im Schnitt je sieben bis acht Fälle: Mal vermitteln sie Opfer oder deren Angehörigen Rechtsbeistand, mal informieren sie über Entschädigungen, mal zeigen sie Möglichkeiten psychotherapeutischer Versorgung auf. Der durch Beiträge seiner 4500 Mitglieder im Südwesten, Spenden, Nachlässe und Geldauflagen für Straftäter finanzierte Weiße Ring zahlt Kosten notwendiger Umzüge und eine erste Rechtsberatung.

Die Zahl der von ihm im Südwesten bearbeiteten Fälle lag 2022 bei 1600, darunter 638 Körperverletzungen, 451 Sexualverbrechen und 109 Stalking-Delikte. In 86 Fällen beschäftigten sich die Helfer mit den Folgen von Tötungsdelikten. Diese Zahlen zeigen allerdings nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten Situation: Im Jahr 2022 wurden bundesweit 157.000 Opfer von Gewalt durch den Partner oder den ehemaligen Lebensgefährten registriert, neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. Grasmück schätzt die Zahl der Opfer von Partnerschaftsgewalt im Südwesten auf bis zu rund 15.000, darunter 20 Prozent Männer. Im Jahr 2022 sind laut polizeilicher Kriminalstatistik bundesweit 133 Frauen durch Partner oder Ex-Partner getötet worden und 19 Männer.

Der Landesvorsitzende Grasmück betonte, der Umgang mit Kriminalitätsopfern sei nicht einfach: »Sie haben etwas Schwieriges erlebt, sind vielleicht traumatisiert, müssen ihr Leben neu regeln.« Für die Mitarbeiter bestehe die Motivation darin, Opfern neuen Lebensmut zu geben und bei Beantragung von Therapien und Entschädigungsleistungen zur Seite zu stehen. Bei mehr Mitstreitern sei auch die individuelle Belastung geringer.

Die von Fortbildungen und gegenseitigem Austausch begleitete Betreuung sei anspruchsvoll und erfordere neben Einfühlungsvermögen juristische Grundkenntnisse. Oft engagierten sich pensionierte Menschen aus dem Bereich Polizei und Justiz in ihrer Freizeit für Opfer. Die Gruppe der Helfer setzt sich zu mehr als 60 Prozent aus Ruheständlern und rund 5 Prozent aus unter 30-Jährigen zusammen, wie der 68-Jährige erläuterte, der unter anderem die Polizeidirektion Heilbronn leitete und im Innenministerium das Amt des Landeskriminaldirektors bekleidete.

Die Helfer müssten psychisch stabil sein, um grausame Schilderungen von Verbrechen und das Leid der Opfer ertragen zu können, sagte er. »Stellen Sie sich mal vor, wir haben eine Familie zu betreuen, in der ein Kind getötet wurde - das ist wahnsinnig belastend, andererseits aber auch wieder sehr lohnend, wenn man den Leuten helfen kann.«

Weisser Ring

© dpa-infocom, dpa:240115-99-612543/2