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Was Hänschen nicht lernt: Kindergartenpflicht im Südwesten?

Immer mehr Grundschüler können schlecht lesen und schreiben. Die Koalition in Baden-Württemberg ist sich einig, dass man viel früher ansetzen muss. Wird die Schulpflicht vorgezogen?

Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Foto: Bernd Weißbrod

Die Ergebnisse der letzten Bildungsstudien waren regelrecht niederschmetternd für das Land: Immer mehr Grundschüler erreichen die vorgeschriebenen Standards nicht mehr, haben Probleme beim Lesen, Schreiben, Rechnen und Zuhören. Erst am Dienstag ergab die sogenannte Iglu-Studie, dass jeder vierte Viertklässler in Deutschland beim Lesen nicht mehr das Mindestniveau erreicht. Nun wird in Baden-Württemberg über eine Idee diskutiert, die es in sich hat. Sie lautet: Wer als Vorschulkind Probleme mit der Sprache hat, muss früher in die Schule.

Die grün-schwarze Koalition zeigt sich jedenfalls offen für den Gedanken einer vorgezogenen Einschulung bei Sprachproblemen. »Ausschließen tue ich mal sicher gar nichts«, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. »Wie weit das konkretisiert wird, muss man dann sehen.« Derzeit würden bereits durchschnittlich rund 95 Prozent der Vorschulkinder einen Kindergarten besuchen, sagte er. Da müsse man schauen, wie man eine Verbindlichkeit herstelle. »Ob man dann formell die Schulpflicht ändert, muss man erstmal klären.« Das wäre dann auch vielmehr eine »Kindergartenpflicht«, sagte Kretschmann.

Der CDU-Landesvorstand hatte am Montag ein Positionspapier beschlossen, nach dem das Schulgesetz geändert und für Kinder mit Förderbedarf die Schulpflicht ein Jahr vor dem eigentlichen Schuleintritt eingeführt werden soll. Ein vorheriger Test zweieinhalb Jahre vor Schulbeginn sei dafür sinnvoll. »Da Sprachprobleme die größte Hürde für den Lernerfolg sind, müssen alle Kinder am ersten Schultag auf einem sprachlich vergleichbaren Niveau sein (Hamburger Modell)«, heißt es darin.

Bis 2026 soll zudem mehr Geld in den Bereich der frühkindlichen Bildung fließen, heißt es weiter in dem Papier, damit dieser »als vorrangige bildungspolitische Aufgabe behandelt wird«. »Politik heißt vor allem, Prioritäten zu setzen - unsere Priorität liegt ganz klar auf unseren Jüngsten«, hatte CDU-Landeschef Thomas Strobl der »Südwest Presse« gesagt.

»Jede neue Idee wird aufgenommen, wenn sie praktikabel und zielführend ist«, sagte Kretschmann am Dienstag. Die Vorschläge der CDU seien im Grundsatz richtig. Man müsse Sprachtests machen und daraus Konsequenzen ziehen für eine bessere Förderung. Die Schnittstelle zwischen Kindergarten und Grundschule sei entscheidend. Das Kabinett hatte sich vergangenes Jahr darauf verständig, ein landesweites Förderkonzept zu entwickeln. Wenn man früher bei einer Einschulungsuntersuchung Förderbedarf identifiziere, müsse man sehen, dass das auch verbindlich gefördert werde.

Auch Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) reagierte offen auf die Vorschläge. »Wir haben immer gesagt, auf den Anfang kommt es an. Ich freue mich, dass der Koalitionspartner das genauso sieht, wir ziehen da an einem Strang«, erklärte die Grünen-Politikerin. Schopper betonte in einem Interview mit »Stuttgarter Zeitung« und »Stuttgarter Nachrichten« am Dienstag, dass sie die Grundschule ins Zentrum ihrer Schulpolitik stellen werde. »Da lasse ich auch nicht mehr locker.« Zur Personallage sagte Schopper den Blättern: »Es bleibt dabei, dass wir eine Durststrecke von schätzungsweise zehn Jahren vor uns haben.«

Mitteilung der CDU

Positionspapier der CDU

© dpa-infocom, dpa:230523-99-796829/3