HECHINGEN/CATANIA. Franco Caruso und Renata Kowant sitzen am Sonntagabend im Restaurant eines Freundes in Catania, als bei Experten bereits alle Alarmglocken angehen. Im größten aktiven Vulkan Europas rumort es so stark, dass der sizilianische Zivilschutz zu besonderer Vorsicht aufruft. Der Wirt im »Tre Castagne« (drei Kastanien) serviert Pizza; der größte Ofen der Stadt hingegen heizt noch vor.
Franco Caruso, selbst in Catania geboren, ist auf Heimaturlaub. Mit seiner Lebensgefährtin Renata Kowant schlendert er nach dem Essen über den örtlichen Markt; in Catania geht das auch zu später Stunde.
Glutrote Fontäne im Nachthimmel
Es ist genau 23.24 Uhr, als ein Freund Carusos den Hechingern zuruft: »Schaut, schaut!« Die Urlauber aus der Zollernstadt heben die Köpfe und werden live Zeugen von dem Moment, in dem der Ätna ausbricht. Der Vulkan spuckt Lava, eine glutrote Fontäne steht im Nachthimmel. »Wir sind ganz nah«, postet Caruso auf Facebook, dazu teilt er ein Video, aufgenommen vom Markt am Fuße des Ätnas, der im Hintergrund Feuer spuckt.
Die Leute hier kennen den »Etna« oder »Mongibello«, wie er hier auch heißt. Alle paar Jahre bricht er aus. Einige würdigen den Vulkan keines Blickes, sie sind ja auch des Marktes wegen hier. Während Medien weltweit schnell über den Ausbruch berichten, scheint er für manchen Einheimischen so (un)bedeutend wie für viele Zollernälbler ein 2,5er-Rüttler im Hohenzollerngraben. Franco Caruso hingegen, der Hechinger mit sizilianischen Wurzeln, ist fasziniert von dem Naturschauspiel in seiner Heimatstadt. Die Hechinger wollen unbedingt rauf auf den Berg. Am Mittwoch schnüren sie das feste Schuhwerk.
Keine Berichte über größere Schäden
Inzwischen ist auch klar: Bei dem spektakulär anzusehenden Ausbruch am Sonntagabend wurde niemand verletzt; es gibt keine Berichte über größere Schäden. Und auch der Flughafen, der nach dem Ausbruch eilig seinen Dienst eingestellt hatte, ist längst wieder geöffnet, die Lava erkaltet. Dennoch hat der Vulkanausbruch seine Spuren hinterlassen.
Caruso berichtet von Straßen, die »noch mit einer 3 Zentimeter hohen Ascheschicht bedeckt« sind. Die Stadt ist gezeichnet von dem Vulkanausbruch. »Wenn man jetzt am Strand liegt und ins Innere blickt, in die Stadt, hat man eine richtige Kulisse vor sich«, sagt Caruso. Auch Teile des Sandstrands sind von der Asche überzogen. »Etna« hat jemand hineingeschrieben.
Vulkanlandschaft begeistert jetzt erst recht
Am Mittwochmorgen sitzen die Hechinger in der Seilbahn, jener Seilbahn, die 2004 errichtet wurde, nachdem ihre Vorgängerin bei einem Ausbruch zerstört worden war. Die »Funivia dell’Etna« befördert Franco Caruso und Renata Kowant auf 2500 Meter Höhe. Die letzten Höhenmeter absolvieren die Hechinger in einem geländegängigen Jeep, bis auf 3150 Meter Höhe. Gemeinsam mit weiteren Touristen, die die Vulkanlandschaft (jetzt erst recht) anzieht, geben sie sich dem Anblick der Krater hin. Renata Kowant schießt beeindruckende Fotos, ganz andere als jene roten Feuersbrünste, die es zuvor in die Nachrichten geschafft hatten.
Mit den Fotos im Gepäck treten sie am Freitag die Heimreise an. Wenn der Vulkan ruhig und der Flughafen offen bleibt... (ZAK)
Der Ätna – Europas höchster und aktivster Vulkan
Der Vulkan an der Ostküste von Sizilien ist Europas höchster und aktivster Vulkan. Seine Grundfläche beträgt etwa 1605 km², seine Höhe, die sich jedoch ständig ändert, lag Ende der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts bei 3350 Metern über dem Meeresspiegel. Die Berghänge des Ätna gliedern sich in drei Höhenzonen: Ackerbau auf dem fruchtbaren Vulkanboden wird bis auf etwa 900 Meter betrieben, darüber folgt ein Waldgürtel bis auf etwa 1900 Meter Höhe und darüber eine fast vegetationsfreie Zone.
Die höchsten Lagen sind den größten Teil des Jahres über schneebedeckt. Das fruchtbare Umland des Vulkans ist dicht besiedelt und neben zahlreichen Dörfern liegen am Fuß des Berges die Städte Catania, Acireale und Nicolosi. 1196 n. Christus wurde die Stadt Catania zerstört und 15.000 Menschen starben. Bei einem Ausbruch 1669 kamen mehr als 20.000 Menschen um, 1928 wurden zwei Dörfer fast vollständig unter einem Lavastrom begraben und 1947 bildeten sich bei einem Ausbruch zwei neue Krater. Bis heute kommt es immer wieder zu Ausbrüchen. Beim Ausbruch im Jahr 2002 wurde die Seilbahn zu Südeuropas größtem Skigebiet auf dem Ätna zerstört. (ZAK)