HECHINGEN. Wer die leuchtend grüne Allee in Richtung Schloss Lindich entlangfährt, um am Ende auf der Grace-Valley-Ranch von Anita Hetzer anzukommen, gerät für einen kurzen Moment ins Zweifeln, ob er sich nicht irgendwo zwischen Hauserhof und Ruheforst komplett verfahren hat und in einer unaufmerksamen Minute direkt bei den Outlaws des Wilden Westens gelandet ist.
Denn dort steht Anita Hetzer mit einem verschmitzten Grinsen in voller Cowgirl-Montur auf der Koppel: derbe Boots mit Sporen, ein stilechter Cowboy-Hut und eine funkelnde Paillettenbluse, von der eine Annie Oakley höchstens hätte träumen können.
Einst das schnellste Pferd auf der Viertelmeile
Neben ihr Joe Brown, seines Zeichens Quarter Horse – das schnellste Pferd auf der Viertelmeile – und lebende Serienlegende. Das Pferd der Westernfilmikone Terence Hill, das dieser in der Anfangsszene der italienischen Serie »Die Bergpolizei – Ganz nah am Himmel« ritt, verbringt seinen Ruhestand hier auf der beschaulichen Grace-Valley-Ranch in Hechingen.
Sein Name ist Joe Brown – bürgerlich allerdings Smoky Reby – »doch das packen die Schwaben einfach nicht,« sagt Inhaberin Anita Hetzer, die 2005 die Westernreitschule Grace-Valley-Ranch gründete und Smoky Reby kurzerhand in Joe Brown, dem Pferd aus Hills Film »Renegade«, umbenannte.
Reitschülerinnen und -schüler kommen aus der ganzen Region
Mit insgesamt 23 Pferden, darunter 18 Schulpferde, bedient die Pferdewirtschaftsmeisterin mit ihrem Team über 100 Reitschülerinnen und -schüler aus der hiesigen Region. Ihre Auswahl an Quarter Horses erhält sie von Luis Kompatscher aus Südtirol, mit dem sie die Leidenschaft für das Reining teilt, »die ausgesprochene Königsdisziplin des Westernreitens«, wie sie sagt, bei der rein im Galopp dressiert wird.
»So fand auch Joe Brown seinen Weg zu uns«, erzählt Hetzer. »Damals drehte Hill die Bergpolizei-Serie am Pragser Wildsee und benötigte ein ruhiges Pferd für die Eingangsszene. Vermutlich suchten die Mitarbeiter am Set nach Pferden in der Nähe und stießen dabei auf den Hof von Luis Kompatscher, der der Filmcrew auch gleich zwei geeignete Pferde zur Auswahl stellte.«
Keine Starallüren bei Terence Hill
Terence Hill entschied sich dann persönlich für Joe Brown, berichtet die Westernreiterin: »Ich nehme an, weil er so ruhig und entspannt ist.« Keinerlei Starallüren erkennbar – das träfe auch auf den deutsch-italienischen Schauspieler zu, ließ sie sich sagen: »Luis berichtete mir, Terence Hill sei extrem umgänglich und freundlich.« Der Schauspieler ließ es sich damals auch nicht nehmen, einen Ausritt mit Kompatscher und seiner Tochter zu machen.
Für Hetzer war der Promi-Zugang im Pferdestall vor ein paar Jahren jedenfalls eine wahre Freude, ist sie doch selbst ein großer Fan des Genres und natürlich des – »immer noch attraktiven!« – Terence Hill: »Für mich begann alles mit den Westernfilmen, durch sie kam ich erst auf die Idee, Western zu reiten und später meine eigene Reitschule zu gründen.«
Gestresste Pferde werden auf der Ranch ruhiger
Heute werden Hetzer auch oft gestresste und verhaltensauffällige Pferde vermittelt: »Doch ihr Verhalten ändert sich, sobald sie eine Weile auf unserer Ranch sind.« Da geht es den Tieren wohl wie den Reitschülern: »Die Reitschule soll eine rettende Oase vor der Hektik im Alltag sein. Die Menschen sollen ankommen und wissen: jetzt können wir abschalten! Ab hier ist nichts anderes mehr wichtig außer die Arbeit mit den Pferden.« Das spüren auch die Vierbeiner.
Schülerinnen und Schüler lernen die Sprache der Pferde
»Reiten wie im Film? Das wollen wir nicht.« Die Pferde in Filmen zeigen oft deutliche Anzeichen von Stress, wie zum Beispiel ein geöffnetes Maul. »So etwas gibt es hier nicht! Unsere Pferde reiten gebisslos und die Schülerinnen und Schüler lernen von Anfang an, die Sprache der Pferde zu sprechen.«
Die Sporen an Hetzers Cowboy-Stiefeln dienen also lediglich dem Feeling. »Bereits junge Pferde, die noch nicht einmal geritten wurden, würden die Körpersprache des Menschen verstehen. Das gegenseitige Gefühl füreinander wird irgendwann so fein, dass es sich anfühlt, als hätte man vier Beine.«
Reiten mit Handicap
Die besonders ruhige und sichere Atmosphäre auf dem Hof ebnet nicht nur den Weg in die Arbeit mit gestressten Pferden, sondern auch mit sehr ängstlichen Personen und Menschen mit Handicaps.
»Auch hier hat sich Joe Brown schon hervorgetan – vor einiger Zeit hatten wir zum Beispiel einen italienischen Herren mit Schlaganfall-Vorgeschichte hier, der infolge dessen stark in seinen Bewegungen eingeschränkt war. Joe Brown hat das nicht gekümmert: er ließ ihn auf sich reiten und der Mann strahlte von einem Ohr bis zum anderen – das war wunderbar mit anzusehen!«
Grace: Anmut, Anstand und Gnade. Auf Anita Hetzers Ranch ist jeder willkommen. Ob gewöhnliches Hauspferd oder Promi-Einhufer, vom ängstlichen bis zum selbstbewussten Reiter, vom Anfänger über den Profi, ob mit oder ohne Handicap.
Country Road am Lindich
Die Lindichstraße zur Ranch scheint also die Country Road zu sein, die Wild-West-Fans nach Hause und zu dem Platz bringt, an dem sie sich zugehörig fühlen. Zum Glück steht die Aussicht auf die Reutlinger Alb dem Blick auf die Blue Ridge Mountains kaum in etwas nach.
Ab Sommer wird zudem die Möglichkeit angeboten, ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) auf dem Hof durchzuführen, das Interessierten ermöglicht, sich für Natur, Umwelt und Tiere zu engagieren.
Hills neues Filmprojekt
Auch Terence Hill hat Sehnsucht nach der Mystik des Wilden Westens: Mit seinen 84 Jahren steigt er nun noch einmal in den Western(film)sattel. Mehr als 50 Jahre nach seinem Prügelwestern-Erfolg »Die rechte und die linke Hand des Teufels« soll die Arbeit an seinem kürzlich geplanten Projekt beginnen.
Seinen neuen Film widmet er seiner alten Rolle Trinity sowie der Geschichte um die italienische Nonne Rosa Maria Segale, die als mutige Geistliche zwischen indigenen Völkern und Outlaws als Blandina Bekanntheit erlangte.
Wird sich Frau Hetzer den neuen Film anschauen? Sie zögert nicht: »Ja, unbedingt!« Falls Hill noch auf der Suche nach einem geeigneten Pferd sein sollte, weiß er auf jeden Fall, wo er sich melden kann.
Joe Brown tobt noch wie ein Zweijähriger, aber mit den Turnieren ist‘s genug
Genau wie der Schauspieler scheint auch Joe Brown noch nicht alles Pulver verschossen zu haben: wie sein menschlicher Filmkollege denkt auch er noch lange nicht an den Ruhestand und genießt lieber seinen 21. Frühling tobend und galoppierend auf den Weiten der Grace-Valley-Koppel, wo er nach wie vor stolz seine »reining fast spins« präsentiert. Zwei Filmstars außer Rand und Band!
Hetzers persönliches Ziel für dieses Jahr? Die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft im Reining. Doch auch wenn sie und Joe Brown zwei wie Pech und Schwefel sind, darf letzterer auch in diesem Fall auf der Ranch weiterentspannen: »Auch wenn er noch tobt wie ein Zweijähriger – er ist schon genügend Turniere geritten.« (ZAK)