Der Ton wird rauer und die Sprache deutlich emotionaler: Der selbst unter Druck stehende Trainer Pellegrino Matarazzo ist die Unkonzentriertheiten und immer wiederkehrenden Fehler seiner Mannschaft offenbar leid. Er habe nach dem 2:3 des VfB Stuttgart in Wolfsburg, in dem das Siegtor des VfL in der Nachspielzeit fiel, gegenüber seinen Profis »eine andere Schärfe reingebracht«, sagte Matarazzo am Freitag. »Weil die Situation sich auch verschärft hat.« Vielleicht würden seine Spieler auch noch nicht wahrnehmen, wie wichtig es ist, »dass wir langsam auch siegen«.
Sollte das tatsächlich der Fall sein, wird es höchste Zeit, dass im Kader des Fußball-Bundesligisten eine andere Haltung Einzug hält. Immerhin hat der VfB noch keines der bisher acht Saisonspiele in der Liga gewonnen und steht vor dem Heimspiel gegen das aktuelle Topteam von Union Berlin am Sonntag (19.30 Uhr/DAZN) bereits im Abstiegskampf. Nicht umsonst sprach Matarazzo nun mehrmals von »Aufmerksamkeit«, »Achtsamkeit«, »Fokus« oder »Präsenz«, die er von seinen Spielern mehr denn je erwartet. Außerdem stellte er die Frage, wie man es hinbekomme, dass die Elf ihren »Fokus über 90 Minuten« hält.
Sich selbst will der 44-Jährige dabei nicht in den Mittelpunkt rücken - auch wenn erstmals in seiner bald dreijährigen Amtszeit in Stuttgart zumindest in der Öffentlichkeit Zweifel an seiner Arbeit laut werden. Diese Trainerdiskussion nehme er natürlich wahr, sagte Matarazzo. »Das Allerwichtigste ist, dass ich Vertrauen spüre in mich selbst und dass ich Vertrauen spüre in meine Mannschaft, in mein Trainerteam.« Zudem sehe er die zwei Bundesliga-Heimspiele gegen den Europa-League-Teilnehmer Union und danach gegen den VfL Bochum sowie die DFB-Pokalpartie am 19. Oktober gegen Zweitligist Arminia Bielefeld »auch als Riesenchance, das Ganze zu drehen«.
Wie das gelingen soll? Über Kampf, Leidenschaft, den unbedingten Willen und dadurch, mehr in den »Infight« zu gehen, erklärte der Italoamerikaner, indem er einen Begriff aus dem Boxen benutzte. »Diese Infights sind auch entscheidend. Die Bereitschaft, in den Zweikampf zu gehen und mit dem Körper zu arbeiten.« Es werde »kein schöner Offensivfußball« gegen die Berliner. »Aber er sollte effektiv sein.«
Definitiv verzichten muss Matarazzo weiterhin nur auf den Rechtsverteidiger Josha Vagnoman (Knochenödem). Sein Debüt in der Stuttgarter Startelf könnte Neuzugang Dan-Axel Zagadou in der Innenverteidigung geben, womöglich anstelle von Hiroki Ito. Auch der Linksverteidiger Borna Sosa wird nach einem Infekt wohl wieder von Beginn an spielen. Das Vertrauen Matarazzos gilt zudem weiterhin Torwart Florian Müller, der in Wolfsburg beim zweiten Tor der Gastgeber mal wieder schwer patzte. »Flo bekommt weiter die volle Rückendeckung«, sagte sein Coach.
Vielleicht ist Union Berlin, das laut Matarazzo für jede andere Mannschaft ein »Charaktertest« ist, genau der richtige Gegner, um die Wende einzuleiten. Es gebe nur wenige Teams wie das von Trainer Urs Fischer, »die sich so reiben« mit den Gegnern. Gegen die aggressiven und aus einer »extremen Kompaktheit« schnell umschaltenden Köpenicker sei es wichtig, in Führung zu gehen und diese zu halten. Wenn man nicht bereit sei, »sich selbst weh zu tun, hat man keine Chance gegen Union«.
Organe des VfB Stuttgart 1893 e.V.
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