Das baden-württembergische Verkehrsministerium hat dem Bund vorgeworfen, sich beim Ausbau der Neckarschleusen aus der Verantwortung zu ziehen. Der Bund habe einseitig den Projektausstieg beschlossen, teilte ein Sprecher des Ministeriums am Donnerstag in Stuttgart mit. Er bezog sich dabei auf ein Schreiben von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bezüglich des Ausbaus der 27 Neckarschleusen für Schiffe mit einer Länge von bis zu 135 Metern.
Die Ankündigung des Bundes sei nicht nur ein Bruch mit der Vereinbarung zwischen Bund und Land, sondern verstoße auch gegen den Koalitionsvertrag der Bundesregierung, konstatierte der Sprecher. Dieser verspreche, die Sanierung und den Ausbau von Schleusen zu beschleunigen.
In dem Schreiben an seinen Landeskollegen Winfried Hermann (Grüne) erklärt der Bundesminister, »die planerischen Zeiträume, die für eine Realisierung der Schleusenverlängerung in Ansatz gebracht werden müssen«, würden die zuletzt gesetzten Ziele überschreiten. Zudem sei der Instandhaltungsbedarf an den Schleusen und Wehren alters- und zustandsbedingt deutlich höher und zeitkritischer als gedacht.
Das Schreiben legt nahe, dass der Bund die Schleusen zunächst sanieren möchte und der geplante Ausbau hintenanstehen soll. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministerium erteilte den Plänen am Donnerstag indes keine klare Absage. Das Land Baden-Württemberg und das Bundesministerium teilten das Interesse an der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Neckars als Bundeswasserstraße, hieß es. Die Rahmenbedingungen hätten sich in den vergangenen 15 Jahren aber geändert. Darauf müsse man reagieren, so der Sprecher. Der Bund sei nun auf das Land zugegangen, um sich über die langfristigen Infrastrukturziele für den Neckar abzustimmen.
In einem Schreiben an Bundesminister Wissing hat Hermann am Donnerstag seinen Unmut über den bisherigen Ablauf des Projekts ausgedrückt. Hermann beklagt demnach, dass trotz einer Projektlaufzeit von bislang 14 Jahren noch keine Baumaßnahme an den 27 Neckarschleusen begonnen habe. Das Projekt sei für das Erreichen der Klimaziele und die Bedürfnisse der überregionalen Wirtschaft von größter Bedeutung.
»Es verfestigt sich der Eindruck, dass der Bund ein verkehrsinfrastrukturelles Jahrhundertprojekt trotz zunehmender Dringlichkeit verschleppt«, schreibt Hermann. Das Land halte an seiner Forderung nach der schnellstmöglichen Umsetzung des Neckarausbaus fest. Zunächst hatte die »Heilbronner Stimme« über den Brief berichtet.
Unterstützung bekam Hermann von Grünen und FDP im Landtag. Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christian Jung, teilte am Donnerstag mit, der Neckar müsse zur leistungsfähigen Wasserstraße ausgebaut werden. Viele Jahre sei der Infrastrukturausbau in Baden-Württemberg vom Bund auf die lange Bank geschoben worden. Auch Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz forderte, das Potenzial der Wasserstraßen müsse man nutzen für mehr Klimaschutz und weniger Güterverkehr auf den Straßen.
Bund und Land hatten 2007 eine Vereinbarung geschlossen, die 27 Schleusen auf dem Neckar zwischen Mannheim-Feudenheim und Plochingen für Güterschiffe mit einer Länge von bis zu 135 Metern befahrbar zu machen. Dazu müssen die Schleusen baulich verlängert werden. Ursprünglich sollte der Ausbau im Jahr 2025 abgeschlossen werden. Ein im Jahr 2018 vorgelegter neuer Zeitplan sah den Ausbau der Schleusen bis Heilbronn im Jahr 2040 und bis Plochingen im Jahr 2050 vor. Noch ist keine Schleuse ausgebaut worden.
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