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Unternehmen halten Wirtschaftsstandort EU für unattraktiver

Viele Südwest-Firmen stehen der EU grundsätzlich positiv gegenüber - halten sie als Unternehmensstandort aber für unattraktiver als vor fünf Jahren. Einigkeit herrscht in besonders in einem Punkt.

Industrie
Anlagen zur Rohölverarbeitung am Abend. Foto: Patrick Pleul/DPA
Anlagen zur Rohölverarbeitung am Abend.
Foto: Patrick Pleul/DPA

Zahlreiche Unternehmen im Südwesten stehen der Europäischen Union positiv gegenüber - sehen aber Probleme bei den Standortbedingungen. Das zeigt das IHK-Unternehmensbarometer zur Europawahl, das der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) für das Land ausgewertet hat. Rund 60 Prozent der befragten Betriebe gaben demnach an, dass die Standortattraktivität in der EU in den vergangenen fünf Jahren gesunken ist. Besonders oft sahen das Unternehmen aus der Industrie so: In dieser Gruppe waren knapp drei Viertel dieser Ansicht. 

Angesichts der starken Konkurrenz aus den USA und China verschenkt Europa laut BWIHK-Vizepräsident Claus Paal aktuell Wachstumspotenziale. In den vergangenen Jahren habe sich die EU mit vielen kleineren Regulierungen beschäftigt und wichtige Themen vernachlässigt. »Die EU-Kommission muss in der kommenden Legislatur die europäischen Unternehmen in den Fokus rücken, sie stärken und dafür sorgen, dass sie auch künftig im internationalen Wettbewerb mithalten können«, sagte er. 

Paal: EU hat mit Regulierungswut überzogen

Denn manche Probleme auf EU-Ebene seien selbst gemacht. »Die Europäische Union hat mit ihrer Regulierungswut überzogen«, sagte Paal. Zahlreiche Auflagen mögen von der Idee her gut sein. »Die daraus entstehenden Dokumentations- und Berichtspflichten haben aber ein Ausmaß erreicht, das für die Unternehmen nicht mehr umsetzbar ist«, sagte er. Vor allem kleine und mittelgroße Betriebe hätten meist nicht die Ressourcen, um die Regelungen zu kennen und umzusetzen. Hier gehe wertvolle Zeit für das Kerngeschäft verloren.

Das wird auch in der Umfrage deutlich: 85 Prozent der Südwest-Unternehmen gaben darin an, dass die Bürokratie die Attraktivität des europäischen Wirtschaftsstandorts schwäche. Nahezu alle waren der Meinung, dass das Thema Bürokratieabbau ganz oben auf der Prioritätenliste einer neuen EU-Kommission stehen sollte. Zu den drängendsten Vorhaben nach der Europawahl im Juni gehört aus Sicht der meisten Unternehmen außerdem eine sichere Energieversorgung und der Schutz vor digitalen und analogen Angriffen.

62 Prozent sehen durch EU großen Vorteil für Wirtschaft

Trotz der Kritik ist die EU aber für zahlreiche Unternehmen ein Anker der Sicherheit und der politischen Stabilität. 62 Prozent gaben an, in der EU einen großen Vorteil für Wirtschaft und Handel zu sehen. Besonders in Zeiten geopolitischer Spannungen und antidemokratischer Tendenzen besinnen sich nach Angaben von Paal die Betriebe auf die gemeinsamen Werte. Die Betriebe sähen, dass ein starker Zusammenhalt wichtig sei, um im weltweiten Wettbewerb mithalten zu können. Als besonders wichtig sahen sie demnach die gemeinsame Währung, der Zugang zu europäischen Märkten und die politische Stabilität. 

Der BWIHK ist der Dachverband der zwölf Industrie- und Handelskammern im Land. Von den gut 500 Unternehmen aus dem Südwesten, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind etwa 320 international tätig.

© dpa-infocom, dpa:240316-99-359014/2