Wenn Union Berlin im Stadion An der Alten Försterei in Richtung seiner Fans spielt, kann eine Wucht entstehen. Dann rollt Angriff um Angriff auf das Tor des Gegners an der Waldseite des Fußballstadions - so wie in der zweiten Halbzeit beim 3:1 (0:1) gegen die TSG Hoffenheim am Samstag. Dann können sich Mannschaft und Anhang gegenseitig hochschaukeln. 23:10 Torschüsse und 18:3 Flanken standen am Ende zu Buche. Verteidiger Danilho Doekhi (73./89. Minute) drehte die Partie, der eingewechselte Jamie Leweling sorgte für die Entscheidung (90. +6).
»Die Mannschaft hat ihre Mentalität gezeigt, war unermüdlich«, lobte Trainer Urs Fischer seine Profis nach der Partie für den Kraftakt. »Sie konnten unheimlichen Druck aufbauen und haben sich den Sieg aufgrund dieser dominanten zweiten Hälfte dann auch verdient.« Nach der ersten Halbzeit hatte es gegen Hoffenheim noch nach dem vierten enttäuschenden Ergebnis in Serie ausgesehen.
Die Kraichgauer machten den Gastgebern das Leben zunächst schwer. »In der ersten Halbzeit haben wir richtig gut gespielt. Es ist nahezu alles aufgegangen, was wir uns vorgenommen haben«, sagte Gäste-Trainer André Breitenreiter. »Wir waren sehr dominant, hatten sehr gute Schnellangriffe und haben Torchancen erspielt.« Man habe den Kampf angenommen und engagiert gespielt. Die Führung durch Ihlas Bebou (43.) war nicht unverdient.
Doch dann kamen die Eisernen. »In der zweiten Halbzeit haben wir viel zu wenig Entlastung geschafft, die Bälle nicht gehalten. Wir hatten nicht mehr die Spielfreude wie in der ersten Halbzeit, weil Union uns mit seiner Mentalität und seinem Biss den Schneid abgekauft hat.«
Wie schon in den vergangenen beiden Liga-Heimspielen gegen Borussia Mönchengladbach (2:1) und gegen den FC Augsburg (2:2) rannten die Köpenicker unermüdlich an und drängten auf das Tor. Wie schon gegen Gladbach einer der Hauptdarsteller in der Schlussphase: Innenverteidiger Doekhi. »Diese Wucht« des 24-Jährigen lobte Fischer. »Die Bälle kamen auch gut. Die Eckstöße waren wirklich gut getreten.« Dafür verantwortlich war Kapitän Christopher Trimmel.
Nach dem Abgang von Julian Ryerson zu Borussia Dortmund zeigten Niko Gießelmann und Trimmel, dass die Berliner auf der Außenverteidigerposition zwar dünn, aber mit Qualität besetzt sind. Nun soll in den kommenden Tagen übereinstimmenden Medienberichten zufolge noch der kroatische WM-Fahrer Josip Juranovic dazukommen.
Die Nehmerqualitäten der Berliner gefallen Fischer. »Es wurde uns eine lange Zeit als Schwäche ausgelegt, dass wir nach Rückständen nicht mehr reagieren können. Jetzt haben wir es das ein oder andere Mal geschafft. Ich glaube schon, dass uns das eine gewisse Zuversicht gibt«, sagte Fischer, stellte aber auch klar: »Kein Trainer möchte gerne 1:0 in Rückstand geraten, weil es nicht ganz so einfach ist, ein Spiel zu drehen.«
Nach einer kurzen Durststrecke vor der Winterpause stehen die Berliner nun mit 30 Punkten wieder auf einem Champions-League-Platz. In Bremen können am Mittwoch (20.30 Uhr/Sky) die nächsten Zähler in Richtung 40 Punkte dazukommen - erst dann wollen die Eisernen über ein ambitionierteres Saisonziel als den Klassenverbleib sprechen.
Bei den Gästen aus Hoffenheim, die mit Europacup-Ambitionen in die Saison starteten, muss der Blick in der Tabelle dagegen langsam nach unten gehen. Nur drei Punkte stehen die Hoffenheimer vor dem VfB Stuttgart auf dem Relegationsrang - und am Dienstag kommen die Schwaben nach Sinsheim (20.30 Uhr/Sky). Nur einen Punkt holte die TSG aus den letzten sechs Spielen. »Es ist bitter, wenn man sich durch zwei solche Tore um den Lohn der Arbeit bringt«, sagte Breitenreiter.
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