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Umbau zum digitalen Bahnknoten bringt Streckensperrungen

Droht Stuttgart ein Chaos im Bahnverkehr? Die Digitalisierung des Bahnknotens schreitet voran. Bis 2025 alles fertig ist, sind jede Menge Vorarbeiten notwendig. Das führt zeitweise zu längeren Einschränkungen im Zugverkehr.

Bahnhof Stuttgart-Bad Cannstatt
Eine S-Bahn fährt in den Bahnhof Stuttgart-Bad Cannstatt ein. Foto: Christoph Schmidt
Eine S-Bahn fährt in den Bahnhof Stuttgart-Bad Cannstatt ein.
Foto: Christoph Schmidt

Pendler und Bahnreisende müssen sich ab Ende April im Großraum Stuttgart auf harte Zeiten einstellen. Wegen Kabelbauarbeiten für das neue europäische Zugsicherungssystem ETCS werden wichtige Bahnstrecken rund um die Schwabenmetropole über Wochen teilweise oder komplett gesperrt, wie die Deutsche Bahn (DB) am Freitag mitteilte. In einem ersten Schritt sind Strecken nach Ulm, Tübingen, Aalen und Schwäbisch Hall betroffen. Kritik an der kurzfristigen Ankündigung des bundeseigenen Unternehmens kam von Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) und Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Nopper sprach von einem »Riesenärgernis«. Das sei eine ganz bittere Pille für uns alle, gerade auch für die Pendler und Bahnnutzer. »Wir erwarten, dass die DB die Baumaßnahmen zügig umsetzt und damit die Beeinträchtigungen auf das geringstmögliche Maß reduziert.« Verkehrsminister Hermann äußerte ebenfalls seinen Unmut über die Informationspolitik. »Wir sind von der Ankündigung der DB völlig überrascht worden, schon in wenigen Wochen damit zu beginnen, wichtige Zulaufstrecken auf Stuttgart komplett zu sperren«, monierte er und betonte: »Vollsperrung heißt maximale Störung des Schienenverkehrs.«

In mehreren Etappen werden Gleise und Strecken gesperrt, wie das Unternehmen mitteilte. Die Arbeiten seien nicht im laufenden Betrieb möglich, weil auch zahlreiche Gleise und andere Bahnanlagen unterquert werden müssten. Deshalb sollen im Bereich Bad Cannstatt/Waiblingen von 21. April bis Ende Juli und im zweiten Halbjahr 2023 im Bereich Vaihingen/Flughafen/Böblingen zeitweise die Verbindungen unterbrochen werden.

Die ersten Sperrungen haben laut Mitteilung insbesondere Auswirkungen auf die Remsbahn und die Murrbahn sowie auf den Bahnverkehr von und nach Tübingen und Ulm. Der Bahnmanager Olaf Drescher, der zugleich Stuttgart 21 verantwortet, sagte, man habe bis zuletzt mit Hochdruck alles versucht, um diese erheblichen Sperrungen zu vermeiden. »Am Ende mussten wir zu dem Ergebnis kommen, dass die gravierenden Eingriffe leider unabwendbar sind.« Die Bahn arbeite an geeigneten Ersatzkonzepten. Konkrete Angaben dazu wurden - auch auf Nachfrage - zunächst nicht gemacht.

Nach Dreschers Angaben müssen allein in einem ersten Schritt im Bereich Waiblingen/Bad Cannstatt für die Digitalisierung rund 1200 Kilometer Kabel verlegt werden. Zudem sind mehr als 70 neue Kabelquerungen unter Gleisen und in Bahnhöfen zu bauen. Auch im Bereich Stuttgart-Vaihingen, Flughafen und Böblingen seien Arbeiten notwendig.

Vor diesem Hintergrund wird es neben der bekannten Sperrung der Stammstrecke der S-Bahn in den Sommerferien zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen zeitweise weitere Unterbrechungen des Zugverkehrs geben: Über 14 Wochen in unterschiedlichen Phasen zwischen dem 21. April und 29. Juli im Bereich Bad Cannstatt/Waiblingen. Der Bereich ist nach Aussagen von Drescher im Südwestrundfunk für vier Wochen total gesperrt. »Das ist der größte Einschnitt. Und die anderen Sperrpausen sind sind so organisiert, dass wir eine Teilsperrung haben. Das heißt, dort werden noch Züge verkehren, aber deutlich eingeschränkt.«

Außerdem gibt es elf Wochen nach Sperrung der Stammstrecke in unterschiedlichen Phasen Einschränkungen auf den Strecken Rohr-Flughafen-Filderstadt sowie Stuttgart-Vaihingen-Böblingen zwischen November und Anfang Dezember, wie die Bahn weiter mitteilte.

Im Zuge des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 soll die Region Stuttgart bis Ende 2025 der erste digitalisierte Bahnknoten (DKS) in Deutschland werden. Vom Fahrplanwechsel im Dezember 2025 an sollen die Züge des Fern-, Regional- und S-Bahnverkehrs dann auf einem mit neuer Technik ausgerüsteten Netz fahren. Es ist dann mit digitalen Stellwerken, dem Zugsystem ETCS und hochautomatisiertem Fahrbetrieb ausgerüstet.

Da aber die Anpassung der Lokomotiven zum geplanten Start des Bahnknotens nicht beendet ist, müssen teilweise auch konventionelle Signale neu gebaut werden. Das sorgt für zusätzlichen Aufwand. »Der Vervielfachungseffekt bei der Verkabelung war so nicht vorhersehbar und ist dem Pilotcharakter des DKS geschuldet, für den es keine Blaupausen gibt«, sagte Drescher.

Hermann forderte die Bahn auf, ihre Zusage einzuhalten, den S21-Tiefbahnhof Ende 2025 in Betrieb zu nehmen. Es dürfe nicht sein, dass jetzt extreme Belastungen für die Fahrgäste vorgenommen werden und dann aus anderen Gründen die geplante Inbetriebnahme doch noch scheitere.

Informationen zum Projekt Stuttgart 21

© dpa-infocom, dpa:230310-99-903385/6