Logo
Aktuell Land

U-Ausschuss geht Vorwürfen gegen Ex-LKA-Chef auf den Grund

Es geht um Bürohunde, Dienstwaffen und nicht abgegebene Tablets: Der Untersuchungsausschuss verstrickt sich in Detailfragen - und beschäftigt sich mit Gerüchten eigener Mitglieder. Die großen Themen, die das Gremium untersuchen soll, rücken in die Ferne.

Thomas Strobl
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, bei einem Termin. Foto: Christoph Schmidt/DPA
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, bei einem Termin.
Foto: Christoph Schmidt/DPA

Dem Normalbürger ist manchmal schwer zu erklären, in welcher Tiefe sich Untersuchungsausschüsse mit Details beschäftigen. Ein solches Gremium gilt als schärfstes Schwert des Parlaments, in der Realität handelt es sich häufig um mühsame, stundenlange, nicht immer erhellende Befragungen. Wer hat wem was gesagt? Wer hat von welchem Aktenvermerk gewusst? Verwaltungshandeln kann sehr komplex sein. Am Freitag nahm der Ausschuss seine Arbeit erstmals nach der Sommerpause wieder auf. Offiziell geht es um sexuelle Belästigung und Beförderungspraktiken bei der Polizei. Die Befragung drehte sich jedoch stundenlang um ein angeblich nicht abgegebenes Diensttablet.

Aber von vorn: Ausgelöst wurde die ganze Polizei-Affäre vom Inspekteur der Polizei, dem vorgeworfen wird, eine deutlich jüngere Kommissarin 2021 sexuell belästigt zu haben. Er ist vom Dienst freigestellt, wurde zwischenzeitlich vom Landgericht freigesprochen. Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, wie der Mann auf den wichtigen Posten kommen konnte und wie das sonst so läuft an der Polizeispitze. Aus Sicht der Opposition wurde der Inspekteur am formalen Beurteilungsverfahren vorbeigeschleust. Es geht um Tricksereien bei der Stellenvergabe, um Vetternwirtschaft und Drohanrufe.

Im Ausschuss äußerten sich bereits einige Zeugen aus der Polizeiführung sehr positiv über den Inspekteur. Nicht so der ehemalige Chef des Landeskriminalamts, Ralf Michelfelder. Er stellte den heute 50-Jährigen als völlige Fehlbesetzung dar, nannte ihn gar ein »Sicherheitsrisiko«. Für alle, die den Inspekteur einst befördern wollten, ist Michelfelder also ein eher unangenehmer Zeuge. Der sorgte noch mit weiteren Äußerungen für Aufruhr: Er beschuldigte den CDU-Abgeordneten Christian Gehring, der selbst Mitglied im Ausschuss ist, Gerüchte über ihn gestreut und ihn damit vor seiner Aussage diskreditiert zu haben.

Dabei geht es unter anderem darum, dass Michelfelder sein Diensttablet im Mai 2021 mit in den Ruhestand genommen haben und sich mit seinem Nachfolger getroffen haben soll. Es wurde zu der Zeit auch gestreut, dass jemand Interna aus dem LKA ausplaudert. Michelfelder?

Gehring musste deshalb selbst in den Zeugenstand - und räumte ein, dem damaligen Innen-Staatssekretär Wilfried Klenk gesteckt zu haben, dass Michelfelder sein Diensttablet nach der Verabschiedung nicht abgegeben haben soll. Klenk wurde deshalb am Freitag befragt. Nach seiner Darstellung ist er dem Gerücht nachgegangen, eine Prüfung habe aber ergeben, dass Michelfelder alle Geräte zurückgegeben habe. »Irgendwer möchte da Unruhe stiften«, bilanzierte der Ex-Staatssekretär. Zur Frage, ob und wann sich Michelfelder mit seinem Nachfolger im LKA getroffen habe, sagte Klenk: »Das war so Mischt, um den habe ich mich nicht gekümmert. Kindergarten.«

Es ist kleinteilig an diesem Freitag. Es geht um einen Türöffner und eine unbrauchbare Dienstwaffe als Abschiedsgeschenk für Michelfelder. Auch seinen Hund, so ein Gerücht, soll er regelwidrig mit ins Büro genommen haben. Die Opposition wirft der CDU vor, den Zeugen diskreditieren zu wollen mit verschiedenen kleinen Bausteinen, das Bild einer nicht integren Person zeichnen zu wollen.

Gehring, ebenfalls erneut im Zeugenstand am Freitag, räumte ein, nicht mehr nachgeprüft zu haben, ob sich die Behauptungen, die er damals verbreitete, als wahr herausstellten. »Sie haben einfach Gerüchte weitergetragen in den politischen Raum«, warf ihm der Grünen-Abgeordnete Oliver Hildenbrand vor. »Ich habe die Info bekommen und weitergegeben«, rechtfertigte sich Gehring. Er habe in keiner Weise vorgehabt, Michelfelder zu diskreditieren - und habe das auch nicht getan.

Hildenbrand bilanzierte nach Ende der zehnstündigen Sitzung: »Aus haltlosen Gerüchten und falschen Vorwürfen ist ein offizieller Prüfvorgang geworden - und für die Ergebnisse hat sich keiner interessiert.« Hildenbrand betonte auch, dass der Ausschuss die großen Fragen nicht aus dem Blick verlieren dürfe.

Der AfD-Abgeordnete Hans-Jürgen Goßner sprach mit Blick auf die gestreuten Gerüchte von Methoden, die aus dem »Handbuch der Staatssicherheit« stammen könnten.

Die Opposition forderte, dass Gehring nicht länger Mitglied des Ausschusses ist. Binder sprach von einem Konflikt zwischen dem Aufklärungsinteresse des Ausschusses und Gehrings Quellenschutz. »Es geht um die politische Hygiene und die Glaubwürdigkeit des gesamten Untersuchungsausschusses«, sagte die FDP-Politikerin Julia Goll.

Auch die Karlsruher Polizeipräsidentin Caren Denner wurde befragt. Aus Sicht der Opposition bestätigte sie vorherige Aussagen, wonach Besetzungsverfahren an der Polizeispitze nicht nach den formalen Regeln ablaufen. Denner sagte, eigentlich müsse nach der Beurteilung entschieden werden, wer befördert werde - gleichzeitig müsse man immer im Hinterkopf behalten, wer geeignet sei und wie man denjenigen beurteilen müsse, so dass er den Posten auch bekomme. Denner räumte auch ein, es sei keine unübliche Praxis bei der Polizei, dass Personen dazu bewegt würden, Bewerbungen zurückziehen.

»Bestenauslese findet nicht statt, die Auswahlvermerke werden nur fürs Papier gemacht«, sagte Goll. »Es gibt Cliquen, die untereinander Positionen ausmachen«, kritisierte Binder.

© dpa-infocom, dpa:230928-99-370798/5