STUTTGART. Es ist so weit. Der Verkehr läuft. Am Wochenende haben OB Frank Nopper und Landesverkehrsminister Winfried Hermann die Röhren des neuen Rosensteintunnels nach acht Jahren Bauzeit endlich den Autofahrern übergeben. Schon bald werden rund 150.000 Fahrzeuge pro Tag auf einer verkürzten Strecke auf der B 10 rollen – nicht mehr um die Wilhelma herum, sondern unter Teilen des zoologisch-botanischen Gartens und des Rosensteinparks.
Worum geht es bei diesem Tunnel?
Die rund 1,3 Kilometer langen Röhren verbinden den Leuze-Knoten von B 10 und B 14 mit der Pragstraße beim Löwentor. Pro Richtung gibt es zwei Spuren. Mit der Tunnelabwärme soll später ein Elefantenhaus beheizt werden.
Zudem spricht die Verwaltung von »modernster Sicherheits- und Verkehrsleittechnik«. Zur Ausstattung gehören ein ausgeklügelter Brandschutz und auch Sensoren, 72 Kameras und eine Übertragung von Bildern in eine Verkehrsüberwachungszentrale an der Mercedesstraße.
Wie teuer ist das alles?
Die Kosten belaufen sich auf 456 Millionen Euro, die von der Stadt und vom Land finanziert werden. Etwas mehr als die Hälfte entfällt auf den Tunnel, der Rest auf die Bauten am Leuze-Knoten. Tiefbauamtsleiter Jürgen Mutz: »Gut investiertes Geld.«
Was wird mit dem Tunnel bezweckt?
Als Hauptziel nennt die Verwaltung die größtmögliche Bündelung des Straßenverkehrs auf der B 10. Sie preist den Tunnel als »wichtigen Schritt zu einer besseren Infrastruktur für den Wirtschaftsstandort Stuttgart« (Jürgen Mutz).
Außerdem als Voraussetzung für eine »umfangreiche Aufwertung des öffentlichen Raums im Umfeld, an der Wilhelma und am Neckarufer« mitsamt besseren Rad- und Fußwegen dort (Chef-Verkehrsplaner Stephan Oehler). Zwischen Wilhelma und Neckar soll es schöner werden. Der Gesamtbereich mit neuer Uferböschung, Freitreppe, Schiffsanlegestelle und Wilhelma-Außenanlage für Zwergflusspferde wird aber wohl erst 2029 fertig.
Was gehört noch zum Gesamtpaket?
Mit dem Tunnelbau wurde 2012 auch beschlossen, in der Neckarvorstadt, im Hallschlag, in Zuffenhausen und Rot sowie in Stuttgart-Ost diverse Nebenstrecken zu entlasten, die Durchfahrt dort unattraktiver zu machen. Allerdings: Wegen des Tunnelbaus und der Luftbelastung am oberen Portal musste erst einmal die Wohnbebauung an der Pragstraße reduziert werden. Die Stadt kaufte Gebäude mit günstigen Wohnungen und weihte sie der Abrissbirne.
Warum ist der Tunnel so teuer?
Steigende Baupreise trieben die Kosten schon zwei Jahre nach dem Baubeschluss, also 2014, von 193 Millionen auf 231 Millionen Euro hoch. 2015 war man bei 274 Millionen. Bald setzte ein Streit zwischen der Stadt und der Baufirma Wolff & Müller ein – und die Kosten kletterten bis 2019 auf 374 Millionen.
Nach einem Gerichtsstreit war man bei 416 Millionen. 2021 nannte Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau dann 456 Millionen. Gründe: bessere Betriebstechnik, Probleme im Untergrund, Zwang zum Verstärken der Fahrbahnen, längere Bauzeit.
Warum gibt es massive Kritik am Tunnel?
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) glaubt, dass die neuen Röhren »den Lkw-Verkehr mitten nach Stuttgart holen«. Die B 10-Strecke Zuffenhausen-Wendlingen, in der der Tunnel aufgeht, sei kürzer, schneller und mit weniger Steigungen zu befahren als die stauträchtige Autobahn: »Mit dem Rosensteintunnel wird die B 10 den Verkehr anziehen wie das Licht die Motten.«
Die gepriesenen Rückbaumaßnahmen seien in ihren Wirkungen vermutlich eher gering. Mehr noch: Die Stadt mache die B 10-Route noch attraktiver, indem sie die Auffahrtsspindel zur B 10 / 27 an der Friedrichswahl durch einen langen Friedrichswahltunnel ersetzen wolle.
Was hält die Stadtverwaltung dagegen?
Verkehrsplaner Oehler ist sich sicher, dass der weiträumige Durchgangsverkehr von rund 5,4 Prozent auf der B 10 kaum zunehme. Im Normalfall sei diese Achse für den Autobahnverkehr nicht attraktiv.
Der Ausbau der B 10 diene dem Verkehr von und zu den vielen Gewerbegebieten. Mit dem Tunnel beseitige man Staus auf der Pragstraße. Jürgen Mutz sagte, nach der Eröffnung werde sich ja zeigen, »welche positive Wirkung« der Tunnel habe.
Warum wird noch gebaut?
Der optimierte Leuze-Knoten wird erst Ende 2024 fertig. Anderes kann erst jetzt in Angriff genommen werden: Die Wilhelmsbrücke wird versuchsweise ein Jahr lang Fußgängern und Radfahrern vorbehalten sein. In der Pragstraße werden Pop-up-Radwege eingerichtet. (GEA)