Die Zeit drängt. Möglichst schon im so wichtigen Heimspiel gegen den VfL Bochum am Samstag (15.30 Uhr/Sky) soll der neue Trainer des VfB Stuttgart auf der Bank sitzen. Vier Tage später steht bereits die DFB-Pokal-Zweitrundenpartie gegen den Zweitligisten Arminia Bielefeld an und wiederum nur drei Tage danach geht es für die Schwaben in der Fußball-Bundesliga bei Borussia Dortmund weiter. Das Programm ist knackig - und ein Nachfolger für den am Montag freigestellten Pellegrino Matarazzo noch nicht gefunden. Vorerst wird wohl Co-Trainer Michael Wimmer die Trainingseinheiten leiten.
Einem Sky-Bericht vom Dienstag zufolge gehört neben dem früheren Hoffenheimer Sebastian Hoeneß sowie den Ex-Leverkusenern Peter Bosz und Gerardo Seoane auch Zsolt Löw zu den potenziellen Trainerkandidaten beim VfB. Demnach sollen die Stuttgarter sogar schon erste Gespräche mit dem 43-jährigen Ungarn aufgenommen haben. Löw arbeitete in den vergangenen Jahren als Co-Trainer von Thomas Tuchel, zuletzt beim englischen Champions-League-Teilnehmer FC Chelsea. Schon in der Winterpause 2019/2020 war er beim VfB gehandelt worden. Damals fiel die Wahl der Schwaben auf Matarazzo.
Was es für die potenziellen Kandidaten bei einer Entscheidung für oder gegen den VfB zu berücksichtigen gilt, sind unter anderem die neue Konstellation in der Führungsebene, der nun auch die Ex-Weltmeister Sami Khedira und Philipp Lahm als Berater angehören, und die ungeklärte Zukunft von Sportdirektor Sven Mislintat. Dessen Vertrag läuft nächsten Sommer aus. Über eine Verlängerung soll erst in der WM-Pause Mitte November beraten werden.
Die Mannschaft, die der neue Trainer in Stuttgart vorfinden wird, hat zweifelsohne Potenzial, in Summe aber nicht so viel Qualität, wie es - offenbar auch intern - mancher glaubt. Sowohl offensiv als auch defensiv agiert sie zu häufig nicht mit der nötigen Konsequenz. Immer wieder erlaubt sie sich leichte Fehler. Dazu schadet sich das Team durch Platzverweise selbst. Der Platzverweis gegen Stürmer Serhou Guirassy gegen Union Berlin vergangenen Sonntag (0:1) war schon der vierte für einen VfB-Profi im zehnten Pflichtspiel der Saison. Genau wie Mittelfeldkämpfer Atakan Karazor, der seine fünfte Gelbe Karte sah, wird er gegen Bochum fehlen. »Das Spiel müssen wir gewinnen, da gibt es keine Diskussion«, sagte Torwart Florian Müller.
»Gut gespielt, nicht das richtige Ergebnis eingefahren. Das ist leider in sieben von neun Spielen eher der Fall gewesen als umgekehrt«, kommentierte Sportdirektor Mislintat die bislang ernüchternde Bilanz der Schwaben in der Bundesliga. Als einziges Team sind sie in dieser Saison noch sieglos. Die vergangenen drei Partien wurden allesamt verloren, jene gegen Union wieder mal unglücklich. Gegen Eintracht Frankfurt (1:3) und in der ersten Halbzeit beim VfL Wolfsburg (2:3) hatte der VfB zuvor ganz schwache Leistungen gezeigt.
Nach der Partie gegen Frankfurt sollen Matarazzo dem Vernehmen nach erste Selbstzweifel anzumerken gewesen sein. Nach der jüngsten Niederlage gegen Union wirkte er dann extrem angeschlagen. Auch bei Mislintat, seinem wohl größten Befürworter unter den VfB-Bossen, schwand daraufhin offenbar die Hoffnung, dass der 44-Jährige noch die Wende herbeiführen kann. Mislintat soll Matarazzo persönlich über dessen Aus unterrichtet haben. Zuvor hatte er sich unter anderen mit Vorstandschef Alexander Wehrle und Khedira beraten.
Nach mehr als 1000 Tagen endete am Montag Matarazzos Zeit in Stuttgart - für den VfB eine verhältnismäßig lange Ära. Möglichst zeitnah soll eine neue beginnen.
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