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Tierheime leiden unter Abgabewelle: Özdemir verspricht Hilfe

Ein Minister im Tierheim, das hat Seltenheitswert. Doch Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir kennt keine Berührungsangst. Die Forderungen der Tierschützer kann er nachvollziehen. Diese verlangen angesichts der Energiekrise rasches Handeln.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne)
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) streichelt bei seinem Besuch im Tierheim eine Hündin. Foto: Bernd Weißbrod
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) streichelt bei seinem Besuch im Tierheim eine Hündin.
Foto: Bernd Weißbrod

»In der Regel beißt sie nicht«, sagt Marion Wünn, Leitern des Stuttgarter Tierheims. Gerade hat sie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eine 30 Zentimeter lange Schlange mit rötlichen Schuppen in die Hand gedrückt. Der Grünen-Politiker ist beeindruckt: »Krass, und diese Muskeln, das ist der Hammer.« Der Minister in Jeans, Parker und festem Schuhwerk will sich vor Ort in seinem Wahlkreis ein Bild von den Problemen in dem mit 900 Tieren auf 10 000 Quadratmetern größten baden-württembergischen Tierheim machen. Zuvor hatte der Tierschutzbund Alarm geschlagen und wegen einer Kostenlawine die Schließung jedes vierten Heims prognostiziert - falls nicht gegengesteuert werde.

Gerade bei wärmeliebenden Reptilien machen sich erhöhte Heizkosten bemerkbar. Das Terrarium der Natter etwa muss konstant auf 30 Grad gehalten werden. Auch die äußerst langlebige Wasserschildkröte mag es warm. Doch Energie ist nur ein Posten in der Rechnung der Tierheime. Auch Futter wird teurer, beim Personal schlägt der erhöhte Mindestlohn zu Buche. Die neue Gebührenordnung für Veterinäre lässt manche Halter verzweifeln. Einige sehen sich daher gezwungen, ihre langjährigen Gefährten wegen hoher Behandlungskosten abzugeben.

Der Tierschutzbund verlangt mehr Engagement des Bundes und der Kommunen. Präsident Thomas Schröder fordert 380 Millionen Euro, um den Investitionsstau in den Heimen abzubauen und ihnen durch den Winter zu helfen. In dem Verband sind 540 Mitgliedsheime organisiert.

Die baden-württembergische Tierschutzbeauftragte Julia Stubenbord schlägt in einem ersten Schritt eine Energiepauschale vor, damit zumindest die Heizkosten gedeckt werden könnten. Ansonsten drohe die Schließung kleiner spendenfinanzierter Heime. Aber jedes werde gebraucht, um die Ordnung aufrecht zu erhalten und streunende Katzen und Hunderudel zu vermeiden.

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir versprach, die Probleme anzupacken, die lange ignoriert worden seien. Er übergab den Tierschützern 7500 Euro aus dem Fünf-Millionen-Euro-Hilfsfonds für Tiere, die von ukrainischen Flüchtlingen abgegeben wurden. Auch eine Stiftung des Bundes zur Förderung von Tierheimen werde gerade geprüft, teilte Özdemir mit. Zur Forderung Schröders, den Internethandel mit Tieren zu verbieten, sagt er, das Ministerium habe mit den entsprechenden Verkaufsplattformen Kontakt aufgenommen.

Mehr Tempo mahnt Schröder bei einer Positivliste für die Tierarten an, die überhaupt in privater Hand gehalten werden dürfen. Das Ministerium will angesichts schwieriger Definitionsfragen eine Regelung über die EU erreichen. Nach Schröders Überzeugung ist in den Heimen rasches Handeln bereits auf nationaler Ebene geboten. »In Deutschland darf ich eine sechs Meter lange Schlange im Vorgarten halten«, kritisiert er.

Die Tierschutzbeauftragte Stubenbord nennt einen weiteren Grund für eine Überfüllung der Heime, die teilweise Wartelisten führen: »Die in der Coronakrise spontan erworbenen Tiere sind teils schon wieder im Tierheim gelandet, und die steigenden Kosten halten mögliche Halter von der Anschaffung ab.« Zudem seien die abgestoßenen Tiere oft unerzogen; Hunde seien Leinen und Gehorsam nicht gewöhnt oder aggressiv zu Mensch und Tier. Verhaltensgestörte Vierbeiner hätten aber wenig Chancen auf eine Vermittlung an neue Halter.

Tierschutzbund

© dpa-infocom, dpa:221119-99-581752/5