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Telefonseelsorge: Ukraine-Krieg ist ein großes Thema

Bei der Telefonseelsorge finden Einsame und Leidende immer ein offenes Ohr für ihre Probleme. Zunehmend geht es in den Gesprächen nicht mehr nur um Isolation und Kummer, sondern um ganz aktuelle Ängste vor der Weltpolitik.

Telefonseelsorge
Eine ehrenamtliche Telefonseelsorgerin telefoniert. Foto: Daniel Reinhardt
Eine ehrenamtliche Telefonseelsorgerin telefoniert.
Foto: Daniel Reinhardt

Der Krieg in der Ukraine ist vier Wochen nach der russischen Invasion auch eines der wichtigsten Themen für die Telefonseelsorge geworden. Zwischenzeitlich sei es in jedem vierten Gespräch um die Kämpfe in dem osteuropäischen Land gegangen, sagte Gregor Bergdolt von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Telefonseelsorge Baden-Württemberg. »Der Ukrainekrieg spielt in allen unseren Telefonseelsorgestellen eine wichtige Rolle als Wurzel von Ängsten.« Die LAG vertritt nach eigenen Angaben 13 baden-württembergische Telefonseelsorge-Stellen auf Landesebene.

Auch die Telefonseelsorge Ravensburg erhält nach eigenen Angaben zahlreiche Anrufe, Mails und Chat-Nachrichten zum Kriegsthema. Es stehe in der Statistik der Telefonseelsorge hoch im Kurs, sagte Gabriela Piber, Leiterin der Telefonseelsorge Oberschwaben-Allgäu-Bodensee, der »Schwäbischen Zeitung« (Mittwoch). Aktuell sei der Krieg in der Ukraine auf Platz acht aller möglichen Gesprächsthemen mit elf Prozent aller Anfragen. »Nach den führenden Dauerthemen wie Einsamkeit und Isolation, familiäre Beziehungen oder Depressionen, ist das ein enorm hoher Wert«, sagte Piber.

»Es gibt gerade ein großes Gefühl der Bedrohung und ein steigendes Angstlevel«, sagte sie weiter. »Unsere vermeintliche Sicherheit hat sich pulverisiert.« So eine große Angst wie in den vergangenen zwei Jahren habe sie noch nie wahrgenommen, sagte Piber, die sich seit über 20 Jahren in der Seelsorge engagiert. Schon durch Corona habe sich das Gefühl der Unsicherheit breitgemacht, jetzt setze sich dieser Krieg noch oben drauf. »Im Vergleich zum Virus hat der Krieg für die Menschen etwas Greifbares.«

Derzeit dreht sich auch bei der Telefonseelsorge in Karlsruhe etwa jedes zehnte Telefonat um den Krieg. »Das ist angesichts fortwährender Themen wie Depressionen, Isolation und Corona nach wie vor extrem viel«, sagte Alexander Herzfeld, Leiter der Karlsruher Telefonseelsorge.

Allein die mehr als 80 Ehrenamtlichen in Karlsruhe haben im vergangenen Jahr insgesamt mehr als 11.300 Anrufe entgegengenommen, darunter waren über 9500 Seelsorge- oder Beratungsgespräche. Zudem wurden Hunderte Chats eingestellt, aus denen sich 370 Beratungskontakte ergaben. Rund 60 Prozent der Anrufenden lebt nach Angaben Herzfelds alleine, drei von vier Menschen am anderen Ende der Leitung sind Frauen. In jedem vierten Gespräch war im vergangenen Jahr Einsamkeit ein Thema, oft ging es auch um depressive Stimmungen, körperliche Beschwerden, die Familie und Ängste. Corona und die Folgen spielte in rund 9 Prozent aller Gespräche eine Rolle.

© dpa-infocom, dpa:220323-99-634526/3