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Tübinger Studie: Erschöpfung ist die häufigste Langzeitfolge von Corona-Infektionen

Das am häufigsten genannte Symptom ist das Erschöpfungssyndrom.  FOTO: IMAGO
Das am häufigsten genannte Symptom ist das Erschöpfungssyndrom. FOTO: IMAGO
Das am häufigsten genannte Symptom ist das Erschöpfungssyndrom. FOTO: IMAGO

STUTTGART. Eine Studie zu den längerfristigen gesundheitlichen Folgen der Corona-Pandemie für die Menschen in Stuttgart hat ähnliche Ergebnisse erbracht wie andere, internationale Untersuchungen zu dem Thema. Danach klagten hier zwischen fünf und acht Prozent der von einer Corona-Infektion betroffenen Menschen über länger anhaltende Beschwerden. Zum Vergleich: Eine weitaus größere Untersuchung in Großbritannien kam auf einen Wert von 7,5 Prozent an Fällen mit Long- oder Post-Covid-Symptomen nach einer Corona-Infektion. Von Long-Covid spricht man bei Symptomen, die vier bis zu zwölf Wochen anhalten, treten diese noch länger auf und sind durch andere Diagnosen nicht erklärbar, spricht man von einem Post-Covid-19-Syndrom.

Bei der Studie der Universitätsklinik Tübingen und des städtischen Gesundheitsamts, deren Ergebnisse am Montag im Sozialausschuss des Gemeinderats vorgestellt wurden, hat man nicht nur Personen befragt, die nachweislich an Covid erkrankt waren. Man hat als Kontrollgruppe über das Einwohnermeldeamt auch Menschen kontaktiert, unter denen sowohl Personen sind, die ebenfalls eine Corona-Infektion erlebt hatten, aber auch Einwohner, die angaben, bis dahin nicht infiziert gewesen zu sein.

Symptome von Long-Covid

Das von den Befragten am häufigsten genannte Symptom ist die sogenannte Fatigue, ein körperliches oder auch psychisches Erschöpfungssyndrom. Dieses zeigte sich bereits in der ersten Untersuchung, die noch in einer frühen Phase der Pandemie, als man von Mai 2020 bis Juni 2021 insgesamt 1.230 Personen, die sich schon infiziert hatten, und rund 2.600 Einwohner aus einer allgemeinen Bevölkerungsstichprobe befragte. Neben Fatigue wurden Stress, Angst und Depressivität genannt. »Egal ob infiziert oder nicht: die Pandemie hat bei vielen Menschen auch ohne eine Infektion Erschöpfungssymptome hervorgerufen«, sagt Katrin Giel, Professorin an der medizinischen Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Tübingen. Im Unterschied zu jenen, die angaben, noch keine Corona-Infektion erlebt zu haben, litten »Infizierte mehr an körperlicher Erschöpfung«. Man kann davon ausgehen, dass die im Gesundheitsamt als Covid-Fälle registrierten Personen im Schnitt schwerere Krankheitsverläufe hatten als jene in der Kontrollgruppe. Bei Nichtinfizierten dürften sich die Härten des Pandemiealltags mit den vielfältigen Folgen der teils drastischen Einschränkungen bis hin zum Lockdown ausgewirkt haben. Neben dem Hauptsymptom Fatigue wurden als weitere Beschwerden genannt: Konzentrationsstörungen, Atemnot, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen, Traurigkeit, Schlafstörungen, Husten, Angst, Muskel- und Gelenkschmerzen, Herzrasen, Schwindel, Übelkeit und Fieber. Die Beschwerden seien »sehr heterogen«, erklärte Katrin Giel, weitere Forschungen dazu nötig.

Diese Ergebnisse wurden im Grundsatz in einer zweiten Untersuchung im Sommer 2023 speziell zur Frage nach der Häufigkeit von Long-Covid und Post-Covid bestätigt. Von den Teilnehmern aus der Covid-Stichprobe des Gesundheitsamtes, dieses Mal insgesamt 527 Personen, gaben 7,6 Prozent an, zwei Long-Covid- oder Post-Covid-Symptome bei sich festgestellt zu haben, drei Symptome nannten 6,8 Prozent der Befragten. In der Kontrollgruppe jener, die ebenfalls schon mit Corona infiziert waren (578 Personen) erklärten 6,1 Prozent, länger an zwei dieser Symptome gelitten zu haben, 4,8 Prozent hatten drei. Unter den Nichtinfizierten in der Kontrollgruppe (170 Personen) sagten aber sogar 8,8 Prozent der Befragten, sie hätten längere Zeit zwei Symptome festgestellt, bei 4,1 Prozent waren es drei Symptome.

Versorgungsfrage klären

Bilde man sogenannte Symptomcluster, zeige sich, dass die Stuttgarter Ergebnisse »mit denen in anderen Länder vergleichbar sind«, sagt Stefan Ehehalt, der Leiter des städtischen Gesundheitsamtes. Zusammen mit der niedergelassenen Ärzteschaft hat das Gesundheitsamt auch ein Long-Covid-Netzwerk aufgebaut. Die große Frage, die auch Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann im Ausschuss formulierte, lautet: Wie müssen die Menschen, die in unterschiedlicher Weise an Symptomen von Long-Covid oder Post-Covid leiden, versorgt werden.

Für Stefan Ehehalt ist dabei wichtig, möglichst viele Betroffene zu »erreichen und aufzuklären«, gerade auch jene, die zunächst vielleicht einen eher milden Infektionsverlauf erlebt haben. Für die schweren Fälle, die wegen ihrer Covid-Erkrankung in eine Klinik mussten, dort vielleicht sogar beatmet wurden und deshalb bekannt sind, gebe es bereits Nachsorgeprogramme. (GEA)