Nach tödlichen Schüssen eines Polizisten auf einen 49-Jährigen in Mannheim haben die Ermittler schon mehr als 20 Zeugen gehört. 130 Videos mit mehreren Gigabyte Datenvolumen, die bisher übermittelt wurden, werden ausgewertet, wie die Mannheimer Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg am Freitag mitteilten.
Für eine detaillierte Rekonstruktion des Geschehens am Tag vor Heiligabend hätten Fachleute mithilfe eines 3D-Scans den Tatort und kriminalistisch relevante Spuren dokumentiert. Zudem führten forensische Sachverständige ballistische Untersuchungen durch, um Details des Schusswaffeneinsatzes lückenlos zu ermitteln.
Der 49-Jährige hatte der Mitteilung zufolge am vergangenen Samstag die Polizei alarmiert, in seiner Wohnung läge eine tote Person. Als die Beamten ankamen, soll der Mann mit einem Messer bewaffnet vor dem Haus gestanden und die Polizisten bedroht haben.
Trotz Aufforderungen habe er die Waffe nicht weggelegt. »Als sich der 49-Jährige schließlich mit dem Messer in der Hand auf die Polizeikräfte zubewegte, machte einer der eingesetzten Polizeibeamten von seiner Dienstwaffe Gebrauch«, hieß es. Der Mann starb - laut dem vorläufigen Obduktionsergebnis der Rechtsmedizin Heidelberg an den Schussfolgen.
Ermittlungen werden noch lange dauern
»Das endgültige Obduktionsergebnis sowie das Ergebnis ergänzend in Auftrag gegebener Untersuchungen stehen noch aus«, teilten die Behörden mit. Damit sei erst in mehreren Wochen zu rechnen. Über ein Hinweisportal können Zeugen weiter Videos vom Geschehen übermitteln.
In der Wohnung hätten die Einsatzkräfte keine Leiche entdeckt, hieß es zudem. Die Polizei habe schon mehrfach mit dem Mann zu tun gehabt. Laut der »Initiative 2. Mai« war der 49-Jährige psychisch erkrankt und lebte mit seinen drei Kindern bei seiner Mutter.
Kundgebung am Samstag
Die Initiative kritisiert den Polizeieinsatz und hat für diesen Samstag zu einer Kundgebung aufgerufen. An einer Mahnwache am Mittwochabend hatten rund 500 Menschen teilgenommen. Die Aktionen stehen unter der Überschrift »Wie viele noch?«.
Die Initiative ist nach einem Ereignis am 2. Mai 2022 benannt, bei dem ein psychisch kranker Mann infolge eines Polizeieinsatzes in der Mannheimer Innenstadt starb. Der Prozess gegen zwei beteiligte Beamte wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge beziehungsweise wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen soll am 12. Januar beginnen.
Dienstwaffen dürfen nur als »Ultima Ratio«, also als äußerstes Mittel, genutzt werden. Ob sogenannter unmittelbarer Zwang angewendet wird, entscheidet die jeweilige Polizeibeamtin oder der jeweilige Polizeibeamte grundsätzlich im Einzelfall und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Das LKA ermittelt, wie die Sachlage im aktuellen Fall war.
Bis zum Vorfall in Mannheim gab es seit 2019 laut dem Sprecher 44 Schusswaffengebräuche unmittelbar gegen Personen. Sieben Menschen starben dabei, 23 wurden verletzt. Keiner der Fälle resultierte danach aus unzulässigem Schusswaffengebrauch.
Aufruf der »Initiative 2. Mai«
Polizeigesetz zum Schusswaffengebrauch
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