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Stuttgarts neuer Spirit: Comeback-Könige kämpfen sich hoch

Dank der nächsten erfolgreichen Aufholjagd schafft der VfB vorerst den Sprung aus der Abstiegszone. Das Duell mit Augsburg ist hoch emotional. Der neue Zusammenhalt ist die größte Stärke der Schwaben. Auch nach Hitzlspergers Abschied wollen sie ihn sich bewahren.

Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo
Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo steht vor dem Spiel im Stadion. Foto: Tom Weller
Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo steht vor dem Spiel im Stadion.
Foto: Tom Weller

Die Fans sangen noch Minuten nach dem Abpfiff und Sven Mislintat bekam während seiner Analyse direkt wieder eine Gänsehaut. »Das war einfach geil«, sagte der Sportdirektor des VfB Stuttgart mit Blick auf die gewaltige Kulisse, die die Schwaben mit zum wichtigen 3:2 (1:2) gegen den FC Augsburg getrieben hatte.

Dank der nächsten erfolgreichen Aufholjagd haben die Comeback-Könige aus Bad Cannstatt erstmals seit dem 18. Spieltag die Abstiegszone der Fußball-Bundesliga verlassen. Wie sie das Kellerduell mit dem FCA durch ihre späten Treffer noch drehten, wie sie von den dank einer Sondergenehmigung erlaubten 55.785 Zuschauern in der Arena nach vorne gepeitscht wurden und wie Coach Pellegrino Matarazzo nach dem Siegtor in der Jubeltraube seiner Spieler verschwand: All das stand am Samstag sinnbildlich für die neue Stärke dieser Stuttgarter.

Es ist nicht lange her, da hätte sich der VfB in Krisensituationen wie der vor noch wenigen Wochen in etlichen Bereichen auseinander dividiert und womöglich seinen Trainer rausgeschmissen. Doch diesmal bewahrten die Schwaben die Ruhe - und werden aktuell dafür belohnt. Sieben Punkte haben sie aus den vergangenen drei Partien nun geholt - jedes Mal nach Rückstand. In der Tabelle schoben sie sich auf Platz 14 vor. Genau wie der FC Augsburg direkt hinter ihnen und Hertha BSC auf dem Relegationsrang haben sie 26 Punkte und das rettende Ufer noch längst nicht erreicht. Der Glaube an den Ligaverbleib scheint beim zwischenzeitlich so demoralisierten VfB aber größer denn je.

Was im Saisonendspurt denn für Stuttgart spreche, wurde Mislintat nach dem zweiten Heimerfolg nacheinander gefragt. »Schon die härteste Krise durchlaufen zu haben, glaube ich«, sagte er rückblickend auf die neun sieglosen Spiele in Serie, die der VfB bis März hatte. Und: »Der Zusammenhalt auf allen Ebenen. Klar hinter dem Trainer gestanden zu haben und weiterhin zu stehen.« Dazu eine »Mannschaft mit einer hervorragenden Arbeit und Einstellung.« Die wieder mal gezeigt habe, dass sie »mental stark« ist, so Mittelfeldspieler Atakan Karazor.

Gegen Augsburg kamen auch noch die Fans dazu. Ein »Riesenpfund« könnten die sein, sagte Mislintat. Und das hätten sie auch bewiesen. Der zweite Rückstand kurz vor der Pause wäre ein »Nackenschlag« gewesen, hätte sowohl bei den Spielern als auch den Anhängern aber einen »Jetzt erst recht«-Effekt ausgelöst. »Ich habe zu keiner Phase geglaubt, dass wir das Spiel verlieren«, beteuerte der 49-Jährige. Und wurde dank der großen Moral seiner Mannschaft darin bestätigt.

André Hahn (6. Minute) und Michael Gregoritsch (45.+1) hatten die vor der Pause extrem effizienten, danach aber viel zu passiven Augsburger zweimal in Führung gebracht. Die Stuttgarter schlugen dreimal nach Standardsituationen zurück. Erst köpfte Waldemar Anton (44.) eine Freistoß-Flanke von Borna Sosa ein, dann verwandelte Omar Marmoush (79.) einen ruhenden Ball direkt und sehenswert in den linken Winkel. Und schließlich hämmerte Tiago Tomás (85.) in einer wilden Endphase die Kugel nach einem schon geklärt geglaubten Freistoß noch zum 3:2 unter die Latte. »Das war sehr emotional«, sagte VfB-Coach Matarazzo.

Emotional hatte der Nachmittag in Stuttgart auch schon begonnen. Vor dem Anpfiff wurde der scheidende Vorstandschef Thomas Hitzlsperger verabschiedet. Er habe die Arbeit mit dem Ex-Nationalspieler »sehr genossen«, sagte Mislintat. »Er wird ein Freund für's Leben bleiben.« Er freue sich aber auch auf dessen Nachfolger Alexander Wehrle, der am Montag beim VfB einsteigt. Ein »Topmann« sei das, so Mislintat. Und der beste Ersatz, den man für Hitzlsperger habe bekommen können.

»Er übernimmt erstmal die Ressorts von Thomas. Das heißt, der Sportvorstand ist dabei«, sagte Mislintat zur Rollenverteilung unter Wehrle. Ob er den Posten des Sportvorstands irgendwann übernimmt oder den des Direktors behält, ist für den 49-Jährigen »völlig unwichtig«. Nur den Spirit, den sich die Stuttgarter geschaffen haben, will Mislintat auf jeden Fall bewahren. Er ist derzeit ihre größte Stärke.

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