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Stuttgarter Schwert-Mord wird Prozesssache: Angeklagter schuldfähig?

Von einer »Hinrichtung« war damals die Rede: Mit einem Samuraischwert tötete ein Mann im Stuttgarter Sommer des vergangenen Jahres seinen Ex-Mitbewohner. Im Mordprozess muss die Kammer nun klären, ob und inwieweit er dafür verantwortlich gemacht werden kann.

Eine goldfarbene Justitia-Figur steht vor Aktenbergen
Eine goldfarbene Justitia-Figur steht vor Aktenbergen, die sich auf einem Tisch stapeln. Foto: Pedersen/dpa
Eine goldfarbene Justitia-Figur steht vor Aktenbergen, die sich auf einem Tisch stapeln.
Foto: Pedersen/dpa

STUTTGART. Am frühen Abend holt der Mann mit dem kahlen Schädel auf offener Straße aus und schlägt mit seinem gerade erst gekauften Samuraischwert zu. Sein früherer Mitbewohner stirbt bei der Bluttat Ende Juli des vergangenen Jahres, die sich vor den Augen zahlreicher Zeugen abspielt. Viele von ihnen sollen nun im Mordprozess gegen den angeklagten Jordanier aussagen, der an diesem Freitag vor dem Stuttgarter Landgericht beginnt und mindestens bis Ende Mai dauern soll.

Mit Spannung wird im Lauf des Verfahrens auch die Einschätzung eines Gutachters erwartet, der den Prozess verfolgen und sich ein Bild unter anderem von der Schuldfähigkeit des angeklagten mutmaßlichen Mörders machen soll. Der Sachverständige habe bereits ein vorläufiges psychiatrisches Gutachten übersandt, sagte ein Sprecher des Landgerichts. Unklar bleibt vor dem Prozessauftakt, ob und inwieweit sich der Angeklagte dabei gegenüber dem Experten geäußert hat.

Nicht bekannt ist bislang zudem, warum sich der Asylbewerber damals für die Attacke entschied. »In der Gesamtschau der Ermittlungsergebnisse dürfte das Motiv am ehesten im zwischenmenschlichen Bereich zu suchen sein«, hatte die Staatsanwaltschaft zuletzt mitgeteilt. Auch die Kriminalpolizei hatte einen persönlichen Grund zwischen den beiden Männern als Auslöser gesehen. Sie hätten sich schon früher häufiger gestritten.

Die offen zu Schau gestellte Brutalität des Mannes bei dem Angriff mit der scharfen Deko-Waffe hatte im Stuttgarter Sommer des vergangenen Jahres für Schlagzeilen gesorgt. »Diese Tat in aller Öffentlichkeit ist entsetzlich und abstoßend«, hatte der Stuttgarter Polizeipräsident Franz Lutz nach der Tat gesagt. Die Attacke sei bestialisch, menschenverachtend und extrem aufwühlend gewesen.

Weil der Mann das Schwert zudem mitten in einem mit zahlreichen Hochhäusern bebauten Areal gezückt hatte, war die Tat von Zeugen aufgezeichnet und das Video im Internet geteilt worden. Nach dem Angriff hatte der mutmaßliche Schwert-Mörder zunächst die Flucht ergriffen, er war aber am Abend desselben Tages festgenommen worden.

Das letztendliche Gutachten fehlt noch, das Motiv ist nicht bekannt, aber zumindest weiß die Kammer mehr oder weniger sicher, wer da am Freitag auf der Anklagebank sitzt: Die wahre Identität des Mannes hatte sich erst durch einen Hinweis von ihm geklärt. Zunächst war bei dem ehemaligen Mitbewohner des 36 Jahre alten Opfers von einem 28-jährigen Syrer ausgegangen worden. Zweifel daran nährte der nun Angeklagte später selbst, als er bei seiner Festnahme angab, zwei Jahre älter und Jordanier zu sein.

Laut Staatsanwaltschaft war er am 1. Juni 2018 nach Stuttgart gezogen. Bis Ende April 2019 lebte er etwa ein Jahr lang in einer Wohnung gemeinsam mit dem späteren Opfer. Zur Tatzeit soll er sich aber hauptsächlich in einer Gemeinschaftsunterkunft im Raum Ludwigsburg aufgehalten haben.

Prozess und Tat wecken Erinnerungen an ein anderes Verfahren in Mönchengladbach (NRW), das erst vor kurzem mit einem Urteil abgeschlossen wurde: Nach einer tödlichen Bluttat an einem Bekannten wurde ein Mann dort vom Landgericht zu neun Jahren Haft wegen Totschlags und zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt. Der Deutsche hatte gestanden, seinen Schachfreund nach einem Trinkgelage getötet zu haben. Die Ermittler zählten 37 Hiebe mit einem Samuraischwert. Das Gericht hatte den Angeklagten als vermindert schuldfähig eingestuft. (dpa)