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Stuttgarter Kinder in der Pandemie: Wie geht es den Kindern jetzt?

Das Gesundheitsamt Stuttgart würde gerne mehr über die Folgen von Corona-Infektionen und Quarantäne wissen.

Computer spielen macht den meisten Kindern Spaß, aber ein Teil von ihnen hat in der Pandemie ein krankhaftes Spielverhalten entw
Computer spielen macht den meisten Kindern Spaß, aber ein Teil von ihnen hat in der Pandemie ein krankhaftes Spielverhalten entwickelt. Oft ist professionelle Hilfe eine Lösung. Foto: WENDT/DPA
Computer spielen macht den meisten Kindern Spaß, aber ein Teil von ihnen hat in der Pandemie ein krankhaftes Spielverhalten entwickelt. Oft ist professionelle Hilfe eine Lösung.
Foto: WENDT/DPA

STUTTGART. Die Corona-Pandemie hat viele Nebenwirkungen, besonders für Kinder und Jugendliche. Das zeigt sich auch in Stuttgart an verschiedenen Stellen. Beispiel Adipositasberatungsstelle: Die sei nicht nur stärker nachgefragt als früher, zudem seien die Kinder, die kommen, deutlich schwerer, so der Gesundheitsamtsleiter Stefan Ehehalt. Beispiel Frühförderstelle: Diese melde, dass Entwicklungsauffälligkeiten später oder auch gar nicht erkannt worden seien, als Folge des Lockdowns in den Kitas.

Beispiel Stuttgarter Kinder- und Jugendpsychiatrie: Vor einigen Monaten war die Lage im Vergleich zu anderen Kliniken im Land noch weniger angespannt. »Jetzt läuft es auch bei uns voll«, sagt der Ärztliche Direktor Michael Günter. Die sonst übliche ruhigere Zeit in den Ferien, die Sommerdelle, sei ausgeblieben. Notfälle nehme man natürlich immer auf, betont Günter. Bei den elektiven, also planbaren Behandlungen, gebe es aber Wartezeiten.

Vorbelastete Kinder haben es schwer

Doch was bedeuten diese Entwicklungen? Der Gesundheitsamtsleiter ist selbst gelernter Kinder- und Jugendarzt. »Der Großteil der Kinder ist bisher gut durch die Pandemie gekommen«, meint er. Allerdings habe sich die Lage verschärft bei Kindern, die vorbelastet sind, sei es gesundheitlich oder durch ein schwieriges persönliches beziehungsweise soziales Umfeld.

Ähnlich schätzt auch Michael Günter vom städtischen Klinikum die Situation ein: »Die psychische Belastung ist für alle gegeben, aber nur ein geringer Teil wird auch krank«, erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater. Sie bemerkten in der Klinik vor allem eine Zunahme bei den Angst- und Essstörungen, zuletzt habe es zudem vermehrt Aufnahmen wegen exzessiven Computerspielens verbunden mit sozialen Ängsten gegeben. »Das hat sich deutlich verschärft«, so Günter.

Die beiden Professoren würden es aber gerne genau und übergreifend wissen: Wie steht es um die Stuttgarter Kinder? Ihnen schwebt eine Studie vor in Kooperation mit der Universität Tübingen, um den Pandemie-Folgen auf den Grund zu gehen. Was macht die Quarantäne mit den Betroffenen? Wie geht es Kindern, die sich infiziert haben? Sind sie von Long Covid betroffen? Falls ja, wie äußert sich das? Wie geht es im Vergleich dazu Kindern, die nie in Quarantäne mussten? Das sind alles Fragen, auf die der Gesundheitsamtsleiter gerne Antworten hätte. Günter würde die psychiatrische Expertise liefern. Die Ideen sind also weit gediehen, die Finanzierung muss allerdings noch angegangen werden.

Die Daten fehlen

»Wir brauchen eine solide Datengrundlage«, sagt der Gesundheitsamtsleiter Ehehalt. Das erleichtere ihnen die Gesundheitsplanung, eine gesetzliche Aufgabe des Amts. »Wie können wir unsere Kinder unterstützen, welche Ressourcen müssen geschaffen werden«, um zielgerichtet zu helfen, erklärt Stefan Ehehalt. Gerade was Long Covid angeht, sei noch sehr vieles unklar, die Datenbasis nach wie vor unzureichend. Man befinde sich da in einem »Dunkelfeld«, erklärt der Amtschef.

Das Praktische: Das Gesundheitsamt sitzt an der Quelle, wenn es um Infektionen und Quarantänefälle geht. Aus dem eigenen Datenbestand könnte es entsprechende Stichproben ziehen und die Familien anschreiben, ob sie bereit wären, sich an der Erhebung zu beteiligen. Die Daten würden natürlich nur verwendet, wenn die Einverständniserklärung vorliege, betont Ehehalt. Die Erkenntnisse wiederum könne man abgleichen mit den vorhandenen Daten zur Kindergesundheit vor der Pandemie.

Und von einem gehen sowohl Ehehalt als auch Michael Günter aus: dass es Folgen der Pandemie geben dürfte, die sich erst deutlich später zeigen werden. »Für Kinder ist die Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen ganz zentral, sie löst Entwicklungsschübe aus«, sagt Michael Günter. Inwieweit das Verlorene wieder aufzuholen sei, das wisse man erst in einigen Jahren. (GEA)

 

NOTFALLVERSORGUNG

Kontakt-Adressen über Stuttgarts Grenzen hinaus

Kinderpsychiatrie

Die Stuttgarter Kinder- und Jugendpsychiatrie ist im Krankenhaus Bad Cannstatt des Klinikums Stuttgart angesiedelt und hat eine Kapazität von 43 vollstationären und 20 tagesklinischen Plätzen. Es gibt eine Tagesklinik für ältere Jugendliche mit Gruppenangeboten für sozial ängstliche Patienten und für Patienten mit Borderline-Störung. Eine Spezialsprechstunde für Computerspielsucht wird ebenfalls angeboten. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums übernimmt die Notfallversorgung für Stuttgart und den südlichen Rems-Murr-Kreis.

Übergewicht

Das Gesundheitsamt hat eine Adipositasberatung für Familien mit übergewichtigen Kindern und Jugendlichen eingerichtet. Informationen zum Beratungsprogramm gibt es unter Telefon 07 11 / 216 2 54 57 oder per E-Mail an kinder-adipositas@stuttgart.de.