STUTTGART. »Hanau war kein Einzelfall« steht im Stuttgarter Westen an der Senefelderstraße an eine Mauer gesprüht. Das Graffito auf Sandstein prangt dort schon lange. Nun wurde mit einer Ergänzung darunter zu einer Demo beim Eckensee zum zweiten Jahrestag aufgerufen. Der im Westen hingesprühte Schriftzug ist hartnäckig. Ob die am Rathaus angebrachte Plakette auch wieder weichen muss?
»Ich gehe davon aus, dass man in der Verwaltung die Sensibilität hat, dass jetzt nicht wieder zu entfernen«, sagt der Grünen-Fraktionschef im Rathaus, Andreas Winter. Er hat sich am Wochenende deutlich zur Vorgehensweise der Stadt zu Wort gemeldet und hofft auf einen anderen Umgang mit dem Gedenken an die Opfer des Anschlags vor zwei Jahren in Hanau (Hessen). Eine Entscheidung über den Verbleib ist bislang noch nicht gefallen.
Am 19. Februar 2020 erschoss ein Rechtsterrorist in Hanau bei Darmstadt neun Menschen, die ausländische Wurzeln hatten. Am Ende nahm sich der Attentäter selbst das Leben. Das Bundeskriminalamt stufte die Tat als rechtsextrem und rassistisch motiviert ein.
»Erinnerungskultur ist auch Ursachenbekämpfung«
Bereits im vergangenen Jahr war zum Jahrestag eine nicht offiziell genehmigte Plakette zur Erinnerung an die neun Opfer am Rathaus angebracht worden. Das Bündnis »Stuttgart gegen rechts« hat das in diesem Jahr erneut getan, darunter liegen Blumen und stehen Kerzen. Eine Lichtprojektion an der Rathausfassade zum Gedenken an die Opfer wurde von der Stadtverwaltung abgelehnt. Der Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) bot kurzerhand das Alte Schloss an. Veranstalter dieser Gedenkaktion war der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen (Laka).
Das muss alles anders werden, meint Winter, der am Wochenende viele Diskussionen zu dem Thema verfolgt hat. Unter anderem hieß es auf seiner Facebookseite in den Kommentaren, die Lichtinstallation würde nichts bringen und nur Geld kosten. Solche Argumente kann der Grünenchef im Rathaus nicht nachvollziehen. »Erinnerungskultur ist Ursachenbekämpfung«, sagt er.
Auch deswegen sei in Stuttgart der Runde Tisch für Erinnerungskultur etabliert worden. Von diesem erhofft sich Winter viel – etwa ein dauerhaftes Etablieren des Gedenkens an Opfer rassistischer Anschläge in der Nachkriegszeit.
Die Frage, die hinter den Diskussionen in den sozialen Medien auch im Raum steht, ist die, wer denn nun die Absage erteilt hat für die Lichtinstallation. Für den Stadtrat Luigi Pantisano (SÖS) ging das eindeutig mit dem OB Frank Nopper (CDU) heim.
Ganz so einfach ist das nicht, erläutert dessen Sprecherin Susanne Kaufmann. Grundsätzlich habe der Oberbürgermeister Frank Nopper als Chef der Verwaltung das Recht, das zu entscheiden. »Aber das würde er niemals alleine tun«, sagt Kaufmann. Er habe die Referate des Ersten Bürgermeisters Fabian Mayer (CDU) und das der Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (parteilos, von den Grünen vorgeschlagen) einbezogen. Beide hätten die Aktion abgelehnt. Das habe Sußmann auch bereits in der Sitzung des Internationalen Ausschusses am 16. Februar gesagt. Sie habe mit dem fehlenden Bezug zu Stuttgart argumentiert.
So habe es in der Sitzung auch der Leiter der Abteilung Integrationspolitik bei der Stadt, Gari Pavkovic, erläutert, warum man der Veranstaltung keine Projektionsfläche bieten wolle. Kaufmann wundert sich daher, warum Pantisano den Oberbürgermeister kritisiert habe. Zudem habe sie herausgefunden, dass nur Wiesbaden sein Rathaus als Projektionsfläche für eine Lichtinstallation zum Jahrestag zur Verfügung gestellt habe. Das sei wie Stuttgart eine Landeshauptstadt – allerdings die des Bundeslandes, in dem Hanau liege, damit habe es einen Bezug gegeben. (GEA)