Thomas Strobl verzichtet auf eine erneute Kandidatur für den CDU-Landesvorsitz. Das teilte der 63-Jährige am Montag nach Sitzungen des CDU-Präsidiums und des CDU-Vorstands in Stuttgart mit. »Ich trete beiseite«, sagte er nach den Gremiensitzungen. Er sei dabei auch nicht unter Druck gesetzt worden. »Das ist eine souveräne Entscheidung.« Strobl führt den Landesverband seit 2011. Mit der Entscheidung werde der von ihm eingeleitete Erneuerungsprozess fortgesetzt, sagte Strobl. Er will nach eigenen Worten Innenminister und stellvertretender Regierungschef bleiben.
Strobl schlug in der Sitzung Fraktionschef Manuel Hagel als seinen Nachfolger vor. Dem 35-Jährigen werden seit Monaten Ambitionen auf den CDU-Landesvorsitz und die Spitzenkandidatur 2026 nachgesagt. Hagel kündigte an, sich erst am Mittwoch zur Machtfrage im Südwest-Landesverband äußern zu wollen. Er habe Lust aufs Gestalten. Am Mittwoch kämen Führungsgremien der Partei zusammen, dann wolle er sich persönlich erklären. CDU-Generalsekretärin Isabell Huber sagte, dass am Mittwoch eine Konferenz der Kreisvorsitzenden mit dem Landesvorstand geplant sei.
In den vergangenen Monaten zentrierte sich die Frage um einen möglichen Nachfolger Strobls an der Parteispitze auf die Person Hagel. Der Zeitpunkt sei gekommen, an dem er die Verantwortung für die Partei in jüngere Hände legen möchte, teilte Strobl am Montag mit. »Ich bin davon überzeugt, dass der Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel unserer Partei die notwendigen Impulse geben wird für eine erfolgreiche Zukunft.« Am Ende entscheidet der CDU-Landesparteitag am 18. November in Reutlingen darüber, wer Parteichef wird.
Strobl traf sich dem Vernehmen nach am Sonntag noch mit mehreren Bezirksvorsitzenden. Am Montag trug er dann seine Entscheidung in den CDU-Gremien vor. Er selbst sprach von einem »Übergang in einer freundschaftlichen und harmonischen Art und Weise«.
Zuletzt war der Druck auf Strobl aber deutlich gewachsen. Der Innenminister steht wegen der Affäre um den Polizei-Inspekteur und einen damit verbundenen Untersuchungsausschuss politisch seit Monaten in der Kritik. Auch in der Partei ist seine Position schon länger geschwächt: Strobl war beim letzten Parteitag im November 2021 mit deutlichem Stimmenverlust als Vorsitzender bestätigt worden. Er erhielt damals in Mannheim nur 66,5 Prozent der Stimmen.
Baden-Württemberg war politisch knapp sechs Jahrzehnte lang fest im Griff der CDU. 2011 kam bei der Landtagswahl die spektakuläre Wende: Nach 58 Jahren verlor die Partei die Macht an Grün-Rot. Bis 2016 war die CDU in der Opposition, was für sie eine völlig neue Erfahrung war. Seitdem regieren die Christdemokraten als Juniorpartner mit den Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Strobl gelang es sowohl 2016 als auch 2021, die Partei in die Regierung zu führen - und einen Bedeutungsverlust in der Opposition zu vermeiden.
Strobl habe immer das Kreuz breit gemacht, wenn die Lage für die Partei nicht so einfach war, sagte Hagel. Die CDU und er selbst hätten ihm viel zu verdanken.
Was für eine Auswirkung Strobls Verzicht auf den Parteivorsitz auf die Zusammenarbeit in der grün-schwarzen Regierung hat, ist unklar. Strobl gilt als Stabilitätsanker der Koalition - mit einem sehr guten Draht zu Ministerpräsident Kretschmann. Er werde weiterhin alles tun, damit die Landesregierung stabil arbeite, sagte Strobl am Montag.
In seiner Funktion als CDU-Fraktionschef hatte Hagel zuletzt immer stärker daran gearbeitet, sich politisch zu profilieren. Als Landeschef dürften sich diese Bestrebungen noch intensivieren.
Die Junge Union Baden-Württemberg begrüßte den Rückzug. »Mit seinem angekündigten Rückzug vom Landesvorsitz der CDU Baden-Württemberg gibt er das richtige Zeichen des Aufbruchs und der Erneuerung«, teilte der Landesvorsitzende Florian Hummel mit. »Es ist ein hervorragendes Zeichen, dass es gelungen ist, eine einvernehmliche Lösung zu erreichen.« Die JU hoffe, dass Manuel Hagel sich für den Landesvorsitz bewerben werde.
Die SPD warf der CDU vor, dass es ihr nur um den Machterhalt gehe. »Schon lange hat sich angedeutet, wie wenig Zeit in politisches Handeln und wie viel Zeit in Erbstreitigkeiten verwendet werden«, sagte SPD-Generalsekretär Sascha Binder. Baden-Württemberg hat sich unter Grün-Schwarz in sämtlichen Bereichen ins Mittelfeld verabschiedet. Grüne und CDU hätten nicht die Bürgerinnen und Bürger, sondern nur die nächste Landtagswahl im Blick. »Wenn es Hagel um das Land gehen würde, hätte er endlich einen Wechsel im Innenministerium umgesetzt. Dafür fehlt ihm der Mut.«
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