Dramatische Zuspitzung in der sogenannten Brief-Affäre: Innenminister Thomas Strobl hat in einer spontan anberaumten Sitzung der CDU-Fraktion am Donnerstagabend um sein politisches Überleben gekämpft - und sich erfolgreich Rückendeckung verschafft. Er teilte den Abgeordneten mit, dass er eine Geldauflage von 15.000 Euro zahlen will, damit die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen ihn einstellt. Die Parlamentarier stellten sich hinter den Innenminister. Die neuen Entwicklungen überschatten Strobls geplante Vernehmung im Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre am Freitag (ab 10.00 Uhr).
Bereits seit vielen Monaten wird gegen Strobl ermittelt, weil er ein Anwaltsschreiben an einen Journalisten herausgegeben hat. Sein politisches Überleben, so hieß es, ist vom Ausgang der Ermittlungen abhängig. Wird das Verfahren ohne oder mit Auflage eingestellt? Wird Anklage erhoben? Nun verkündete Strobl der Fraktion das Ergebnis: Einstellung gegen Geldauflage. Er soll 15.000 Euro zahlen, will das Angebot auch annehmen - und trotzdem Innenminister bleiben.
Strobls Begründung: Er wolle das Verfahren schnellstmöglich beenden, um sich als Innenminister »voll und ganz auf die Gewährleistung der Inneren Sicherheit« konzentrieren zu können. Er handle damit auch entgegen dem Rat und der Rechtsauffassung seiner Anwälte, es gehe ihm eben nur um die zügige Beendigung des Verfahrens. Allerdings hätte Strobl, hätte er das Angebot ausgeschlagen, auch ein langwieriges und rufschädigendes Verfahren mit ungewissem Ausgang riskiert.
Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den ranghöchsten Polizisten im Land, den Inspekteur der Polizei. Ihm wird sexuelle Belästigung vorgeworfen. Strobl soll einen Journalisten dazu angestiftet haben, aus Verfahrensakten zu zitieren. Er habe jeden Anschein eines »Hinterzimmer-Deals« vermeiden wollen und deshalb das Schreiben an den Journalisten gegeben, so seine Argumentation. Auch gegen den Reporter wird ermittelt. Dieser hatte nach Angaben der Zeitung das Angebot der Einstellung gegen Geldauflage abgelehnt.
Bei seiner ersten Vernehmung im Untersuchungsausschuss im September war Strobl befragt worden, ob er auch ein solches Angebot erhalten habe. Er verweigerte die Antwort und verwies auf das Zeugnisverweigerungsrecht.
In der Fraktion spricht Strobl am Donnerstag Klartext. Eineinhalb Stunden dauert sein Auftritt. Dann berät die Fraktion alleine über Strobls Zukunft, nochmal zwei Stunden. Am Ende wird Fraktionschef Manuel Hagel grünes Licht geben: Strobl kann bleiben. Hagel gilt derzeit als der Mann, der in der CDU die Fäden zieht und für die CDU 2026 als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen könnte. Es hilft ihm aber nicht, wenn er Strobls Posten jetzt schon neu besetzen muss.
Die Fraktion sehe keinen Grund für einen Rücktritt, sagt Hagel nach der Sitzung. »Wir sehen uns derzeit mehreren Krisen gleichzeitig ausgesetzt«, betont er. »In diesen turbulenten Zeiten gilt unsere ganze Anstrengung, unser Land verlässlich und stabil durch diese Krisen zu führen.« So mancher in der Fraktion mag das Ergebnis mit der geballten Faust in der Tasche akzeptieren, aber öffentlich hält man zu Strobl.
Trotzdem steht dem Innenminister eine weitere ungemütliche Sitzung im Untersuchungsausschuss bevor. Eigentlich hatten sich SPD und FDP schon darauf eingestellt, dass es am Freitag schwerpunktmäßig um die Beförderungspraxis der Polizei gehen wird. Nun rückt die Brief-Affäre wieder ins Zentrum. Die Opposition wirft ihm Geheimnisverrat vor. Aus Sicht der Opposition darf sich ein Minister, der qua Amt oberster Hüter von Recht und Ordnung ist, so etwas unter keinen Umständen leisten. Die Rücktrittsforderungen dürften schärfer und lauter denn je vorgetragen werden.
Fest steht aber auch: Vorbestraft ist Strobl trotzdem nicht. Und es gibt Minister, die solche Einstellungen gegen Geldauflage politisch überlebt haben. Die Summe von 15.000 Euro muss zudem im Verhältnis betrachtet werden, weil ein Minister auch viel verdient und solche Auflagen sich stets an den Einkommensverhältnissen bemessen. Und besonders wichtig: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) soll weiter zu seinem alten CDU-Weggefährten und Vize-Regierunschef halten.
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