Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl hat sich in der Affäre um die Weitergabe eines Anwaltsschreibens an die Presse energisch gegen Vorwürfe der Opposition verteidigt. »Dort, wo es kein Geheimnis gibt, kann auch kein Geheimnis verraten werden«, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch im Landtag in Stuttgart. Es sei »richtig und wichtig« gewesen, das Gesprächsangebot des Anwalts des hochrangigen Polizisten, gegen den wegen sexueller Belästigung ermittelt wird, an das Ministerium öffentlich zu machen. Der Vorschlag des Anwalts sei sinngemäß gewesen: »Wir regeln das auf dem kurzen Dienstweg.« Strobl betonte: »Das ist mit mir nicht so zu regeln.« Es habe nicht mal den Anschein geben dürfen, »es solle hier etwas gemauschelt oder unter den Teppich gekehrt werden«.
Gegen den Innenminister ermittelt seit einer Woche die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen, die Opposition fordert seitdem die Entlassung Strobls. Die FDP-Innenpolitikerin Julia Goll erklärte in der Debatte, Strobl habe mit der Weitergabe des Schreibens des Anwalts eines Polizisten Dienstgeheimnisse verraten. Zudem habe der CDU-Politiker seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten verletzt. Strobl fehle »Problembewusstsein«. Goll sagte: »Er ist nach wie vor der Meinung, völlig richtig gehandelt zu haben.« Am schlimmsten sei aber, dass der Innenminister die Justiz behindere, indem er die Staatsanwaltschaft nicht ermächtige, wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen zu ermitteln.
Die Anklagebehörde hatte mitgeteilt, sie ermittele gegen einen Journalisten, den Minister und dessen Mitarbeiter wegen des Verdachts verbotener Mitteilung über Gerichtsverhandlungen. Der Reporter wird verdächtigt, aus amtlichen Dokumenten eines laufenden Verfahrens zitiert zu haben. Strobl wiederum soll ihn dazu angestiftet haben, der Mitarbeiter soll Beihilfe geleistet haben, weil er das Schreiben weiterleitete.
Der Minister hatte vor einer Woche eingeräumt, dass er dem Journalisten das Schreiben im Dezember zukommen ließ. Goll fragte Strobl: »Seit wann, Herr Innenminister, ersetzen eigentlich die Zeitungen ihre Pressestelle?« SPD-Fraktionschef Andreas Stoch forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum wiederholten Mal auf, auf den Minister einzuwirken, damit dieser die Staatsanwaltschaft ermächtigt, wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses zu ermitteln. »Ich verstehe nicht, wie man nur zuschauen kann, wenn Recht gebrochen wird«, sagte Stoch. Er hielt dem Grünen-Politiker erneut vor, ihm sei der Fortbestand der Koalition mit der CDU und die Freundschaft zu Strobl wichtiger als der Rechtsstaat.
Der Innenminister und CDU-Landeschef bekräftigte, die Ermittlungen gegen ihn seien in Ordnung und »im Wortsinne legitim«. Das sei der Rechtsstaat, für den er lebe und arbeite. Wenn die FDP Strafanzeige gegen ihn stelle, sei das nur »billige Effekthascherei und Theaterdonner«, da alle Fakten auf dem Tisch lägen. Es sei auch nicht so, dass sein Ministerium Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen gestoppt habe. Wer ihm das vorwerfe, sei »bösartig«. Es habe noch gar keine Ermittlungen gegeben, weil das Ministerium diese nicht ermächtigt habe. »Die Wahrheit schmerzt, ich verstehe das«, sagte Strobl an die Adresse der Opposition.
Aus der Koalition erhielt der Minister erneut Rückendeckung. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte, die Vorwürfe der Opposition gegen Strobl seien »unterirdisch«. Selbstverständlich sei es die Aufgabe der Opposition, der Regierung auf die Finger zu schauen. Doch darum gehe es FDP und SPD hier gar nicht. »Ihnen geht es nur darum, den Innenminister persönlich zu beschädigen.« Die ständigen Rücktrittsforderungen gegen Strobl seien fehl am Platz. »Der Innenminister macht einen ausgezeichneten Job.«
CDU-Fraktionschef Manuel Hagel nannte die Vorwürfe der Opposition »plump, laut und dumpf«. Wie sich SPD und FDP an Strobl abarbeiteten, habe schon etwas »Manisches«. Hagel ließ aber auch leise Kritik an der Weitergabe des Anwaltsschreibens anklingen. Es sei zwar richtig, dass das Schreiben an die Öffentlichkeit gekommen sei, doch man hätte es »geschickter transportieren können«.
Für die AfD sagte der Fraktionsvorsitzende Bernd Gögel: »Es ist eine Blamage für die gesamte Regierung Kretschmann.« Die Reaktion Strobls auf das Anwaltsschreiben widerspreche schon dem gesunden Menschenverstand. »Das hätte jeder Sachbearbeiter besser hingekriegt als der Volljurist, Innenminister Strobl.«
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