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Strobl-Affäre: Keine Ermittlungen wegen Geheimnisverrats

Es bleibt dabei, trotz FDP-Strafanzeige: Weil das Innenministerium kein grünes Licht gab, kann die Staatsanwaltschaft dem Hauptvorwurf gegen Minister Strobl nicht nachgehen. Beißt sich die Opposition an dem CDU-Politiker die Zähne aus?

Thomas Strobl (CDU)
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg.
Foto: Marijan Murat

Gut drei Wochen nach Beginn der Affäre um Innenminister Thomas Strobl haben sich die Hoffnungen der Opposition auf Ermittlungen wegen Geheimnisverrats gegen den CDU-Politiker zerschlagen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wird trotz wiederholter Aufforderung durch FDP und SPD nicht wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen Strobl ermitteln. Das Ministerium habe die Ermächtigung dafür vor Monaten verweigert und dieses Veto sei nicht rückgängig zu machen, teilte die Anklagebehörde der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Opposition ist empört und spricht von »Amtsmissbrauch« durch das Innenministerium.

Währenddessen weigert sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beharrlich zu dem Gutachten des obersten Datenschützers im Land Stellung zu beziehen. Zuvor hatte der Datenschutzbeauftragte Stefan Brink erklärt, Strobl habe mit der Weitergabe eines Schreibens des Anwalts eines hochrangigen Polizisten gegen das Gesetz verstoßen. Kretschmann ließ am Mittwoch erklären, er könne sich aus formalen Gründen nicht dazu äußern. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch, der Brinks Gutachten angefordert hatte, sagte der dpa, das sei eine »billige Verteidigungsstrategie« von Kretschmann.

Sackgasse: Ohne Ermächtigung keine Ermittlungen zu Dienstgeheimnis

Eine Sprecherin der Anklagebehörde teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, das Innenministerium habe - wie hinlänglich bekannt - Anfang des Jahres die nötige Ermächtigung für Ermittlungen wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen verweigert. »Da sich diese Entscheidung nicht widerrufen lässt, liegt hinsichtlich dieses Straftatbestands weiterhin ein Verfahrenshindernis vor«, erklärte die Sprecherin. Die FDP-Fraktion hatte die Staatsanwaltschaft per Strafanzeige dazu aufgefordert, wegen Geheimnisverrats zu ermitteln.

Die Opposition hält Strobl vor, mit der Weitergabe des Schreibens mehrere Gesetze gebrochen zu haben. Nachdem Strobl Anfang Mai die Weitergabe des Schreibens eingeräumt hatte, leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts verbotener Mitteilung über Gerichtsverhandlungen ein. Vor einer Woche hatte es von der Anklagebehörde geheißen, sie ermittele automatisch auch wegen der Strafanzeige der FDP. In der werden Strobl neben Geheimnisverrat auch Verstöße gegen Datenschutz und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen. Zumindest in Sachen Geheimnisverrat ist dies aber eine Sackgasse.

FDP spricht von »Trickserei«

Die FDP hält es für einen Skandal, dass die Justiz an ihrer Arbeit gehindert werde. »Das ist ein Missbrauch des Ermächtigungsrechts«, sagte Innenexpertin Julia Goll der dpa. »Es kann nicht sein, dass sich ein Minister und ein Ministerium durch Trickserei aus der Affäre ziehen.« Als das Ressort die Ermächtigung verweigerte, sei öffentlich noch nicht bekannt gewesen, wer das Schreiben an den Journalisten weitergegeben hat. Damals habe es Vorermittlungen gegen Unbekannt gegeben. Es dränge sich der Verdacht der Strafvereitelung im Amt auf, weil das Ministerium die Ermächtigung unter falschen Voraussetzungen nicht erteilte.

Das Ministerium argumentiert, es handele sich bei dem Schreiben des Anwalts nicht um ein amtliches Dokument und auch nicht um ein Dienstgeheimnis, darum habe man die Ermächtigung für Ermittlungen nicht erteilt. Der Anwalt des hochrangigen Polizisten, gegen den wegen sexueller Belästigung ermittelt wird und der vom Dienst suspendiert ist, hatte kurz vor Weihnachten dem Ministerium ein Schreiben zukommen lassen. Darin bot er der Hausspitze auch ein persönliches Gespräch mit dem beschuldigten Beamten an. Strobl sah darin ein »vergiftetes Angebot«. Er habe für »maximale Transparenz« sorgen und verhindern wollen, dass die andere Seite das Schreiben lanciert und der Vorwurf der Mauschelei aufkommt.

SPD hält das Veto gegen Ermittlungen für angreifbar

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch kritisierte die grün-schwarze Regierung. »Warum verweigert eine Regierung eine solche Ermächtigung, wenn sie nichts zu verbergen hat?« Immerhin handele es sich hier um die Entscheidung einer öffentlichen Stelle, diese dürfe nicht willkürlich oder zum Selbstschutz getroffen werden. Er glaube nicht, dass ein Innenminister machen könne, was er wolle. Stoch hält es weiter für denkbar, dass eine solche Entscheidung gerichtlich überprüfbar sei.

Kretschmann will weiter schweigen

Eine Sprecherin des Staatsministeriums sagte, die Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten umfasse den gleichen Sachverhalt wie das nicht abgeschlossene aufsichtsbehördliche Verfahren durch dessen Behörde. Deshalb bleibe es »vor dem Hintergrund der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen dabei, dass sich der Ministerpräsident inhaltlich zu der Angelegenheit nicht äußern wird«. Am Dienstagmittag hatte Kretschmann erklärt, ihm liege das Schreiben nicht vor, obwohl Stoch es dem Staatsministerium schon am Montagabend zugeleitet hatte.

»Natürlich kann und muss ein Ministerpräsident dazu eine Stellungnahme abgeben«, sagte Stoch der dpa. In der Regierung meine man offenbar, »man müsse nur die Decke über den Kopf ziehen und hoffen, dass das Gewitter vorbeizieht.« Kretschmanns Argumente seien nichts als »Ausflüchte«. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hielt dem Ministerpräsidenten vor, Ausreden zu suchen. »Er hat es damit geschafft, dass der Skandal im Staatsministerium angekommen ist.« Die Opposition fordert Strobls Entlassung und strebt einen Untersuchungsausschuss an.

© dpa-infocom, dpa:220526-99-437926/3