Ein Verdi-Streik hat am Donnerstag den öffentlichen Nahverkehr in sieben großen Städten Baden-Württembergs erheblich eingeschränkt. Betroffen von den Arbeitsniederlegungen sind die kommunalen Nahverkehrsunternehmen in Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz. Auch für diesen Freitag hat die Gewerkschaft zu einem ganztägigen Streik aufgerufen.
Einige Abiturientinnen und Abiturienten an den allgemeinbildenden Gymnasien müssen sich am Donnerstag ebenfalls Alternativen zu Bus und Bahn suchen: Denn der Streik fällt auf den Beginn der schriftlichen Prüfungen. Nach Angaben des Kultusministeriums stehen Biologie und Biologie (bilingual Englisch) auf dem Plan.
Änderungen soll es aber nicht geben: »Das Abitur und die Abschlussprüfungen finden statt«, teilte das Ministerium vorab mit. Für das Zu-Spät-Kommen gelte eine Toleranzgrenze von 30 Minuten. Auch wer also eine halbe Stunde zu spät komme, dürfe noch mitschreiben. Wer aufgrund des Streiks gar nicht in die Schule kommen könne, für den bleibe grundsätzlich der Nachtermin. Ob die Schülerin oder der Schüler nicht unter zumutbaren Anstrengungen zur Schule hätte kommen können, muss demnach im Einzelfall geprüft werden.
Der Landesschülerbeirat (LSBR) Baden-Württembergs verfolge mit großer Besorgnis die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem ÖPNV-Streik während der Abiturzeit, teilte eine Sprecherin mit. Durch den Streik könnten zahlreiche Schülerinnen und Schüler ihre täglichen Schulwege nicht wie gewohnt zurücklegen. Insbesondere während der Abiturzeit könne dies eine enorme Belastung und Stresssituationen darstellen und im Extremfall Auswirkungen auf den Prüfungsverlauf haben, so die Sprecherin. Der LSBR hoffe, »dass alle Schülerinnen und Schüler nicht zu sehr unter den Auswirkungen des Streiks leiden müssen und so stressfrei wie nur möglich ihre Abiturprüfungen angehen können«.
Tarifstreit zieht sich seit Ende Januar
Die Auseinandersetzung zwischen Verdi und den Nahverkehrsbetrieben zieht sich seit Ende Januar: Nach vier Verhandlungsrunden hatte Verdi die Verhandlungen mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) am 11. März für gescheitert erklärt. Im Anschluss sprachen sich bei einer Urabstimmung rund 93 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder in den Betrieben für die Möglichkeit unbefristeter Streiks aus.
Der Konflikt hat den ÖPNV in Teilen des Landes bereits mehrmals weitgehend lahmgelegt. Bus- und Straßenbahnfahrer in den Städten traten seit Anfang Februar bislang an drei Tagen zeitgleich in den Ausstand. Hinzu kamen einzelne Warnstreiks in verschiedenen Städten.
Verdi verhandelt mit den kommunalen Nahverkehrsunternehmen in fast allen Bundesländern über neue Manteltarifverträge. Die Forderungen unterscheiden sich: Im Südwesten tritt die Gewerkschaft für eine grundsätzliche Verkürzung der Wochenarbeitszeit sowie eine Schichtzulage im Fahrdienst ein. Außerdem will Verdi unter anderem erreichen, dass sich die Beschäftigten Verspätungen und bislang unbezahlte Wegzeiten vollständig als Arbeitszeit anrechnen lassen können. Von den Gesprächen sind rund 6500 Beschäftigte betroffen.
Arbeitgeber sehen Schmerzgrenze
Die Arbeitgeber hatten in der vergangenen Verhandlungsrunde ein neues Angebot vorgelegt und waren Verdi nach eigenen Angaben weit entgegengekommen. Mit dem Angebot sah KAV-Hauptgeschäftsführerin Sylvana Donath auch eine Schmerzgrenze überschritten. Der Gesamtumfang der Verdi-Forderungen sei Steuerzahlern nicht vermittelbar. Statt mit Streiks das Vertrauen in den ÖPNV zu schwächen, sei es wichtig, zu einem Abschluss zu kommen. Die Fahrgäste hätten nach zahlreichen Streiktagen kein Verständnis mehr.
Die nächste Verhandlungsrunde ist für kommende Woche geplant.
© dpa-infocom, dpa:240417-99-711389/4