Die Steuerschätzung fällt ungeachtet der Krise erfreulich aus - und damit beginnen die Verteilungskämpfe in der grün-schwarzen Koalition im Südwesten aufs Neue. Zwar liegen die genauen Zahlen der Schätzung für den Südwesten noch nicht vor, aber klar ist schon jetzt, dass auch das Land ein deutliches Plus verzeichnen kann. Die Schätzer gehen davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen bis 2026 rund 126,4 Milliarden Euro mehr einnehmen als noch im Mai erwartet.
Am Samstag treffen sich die Spitzen der Koalition in Stuttgart in der Haushaltskommission, um darüber zu beraten, wofür das Land mehr ausgeben kann. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte am Mittwoch im Landtag beim Einbringen des Haushalts erklärt, er wolle den Puffer für Risiken stärken und mehr Geld zurücklegen. Die Fraktionen rief er zum Maß halten auf.
Nach einem Bericht der »Südwest Presse« liegen rund 150 Vorschläge mit einem Gesamtvolumen von rund 700 Millionen Euro vor. Die Grünen-Fraktion wolle zum Beispiel die Praxis ändern, dass befristet angestellte Lehrkräfte und fertige Referendare über die Sommerferien hinweg in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Auch die CDU hatte bei ihrem jüngsten Parteitag für ein Ende dieser Regelung gestimmt. Aus Koalitionskreisen erfuhr die dpa, es sei eher unwahrscheinlich, dass ausgerechnet jetzt in der Krise diese Praxis geändert werde, nachdem man jahrelang argumentiert hatte, dies sei zu teuer. Im Doppeletat würde das laut »Südwest Presse« mit 30 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Auch das Staatsministerium will ein Stück vom Kuchen, um die landeseigene Werbekampagne »The Länd« zu stärken. Für das Jahr 2024 will die Regierungszentrale eine Million Euro mehr haben, erfuhr die dpa aus Kreisen der Regierung. Im Entwurf für den Haushalt sind bisher für 2023 und 2024 jeweils drei Millionen Euro vorgesehen. Das Staatsministerium dringt vor den Haushaltsgesprächen zudem darauf, dass sich das Land dazu verpflichtet, auch in den Jahren 2025 und 2026 je drei Millionen Euro für die Kampagne auszugeben. Ursprünglich wollte Staatssekretär Florian Stegmann sogar drei Millionen Euro mehr für 2024 haben, doch das sei vom Finanzministerium schon vor längerer Zeit abgelehnt worden. Zum Start der neuen Sympathieoffensive hatte es vor einem Jahr geheißen, sie habe 21 Millionen Euro gekostet.
Der SPD-Finanzexperte Nicolas Fink kritisierte die Forderung der Regierungszentrale: »Kein Geld für Entlastungen ausgeben wollen, aber noch mehr Geld in eine völlig unnötige Kampagne stecken: Die komplett falsche Schwerpunktsetzung der Landesregierung bei der Haushaltsplanung ist schon jetzt absehbar und lässt Böses erahnen.« Fink appellierte an Grün-Schwarz: »In diesen Zeiten ist Entlastung statt Eigenwerbung angesagt.«
© dpa-infocom, dpa:221027-99-285954/3