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Staatsanwaltschaft durchsucht Innenministerium

Innenminister Strobl bekommt Besuch vom Staatsanwalt. Weil er ein brisantes Anwaltsschreiben an die Presse durchgestochen hat. Der Druck auf den CDU-Mann wird immer größer.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU)
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Rande einer Plenarsitzung des Landtags. Foto: Marijan Murat
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Rande einer Plenarsitzung des Landtags.
Foto: Marijan Murat

Zwei Tage nach Beginn der Ermittlungen gegen Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) wegen der Weitergabe eines Anwaltsschreibens an die Presse hat die Staatsanwaltschaft das Ministerium durchsucht und Unterlagen eingezogen. Die Anklagebehörde teilte am Freitagabend in Stuttgart mit, es seien »Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und Beweismittel sichergestellt« worden. Das Ministerium sei aber »kooperativ« gewesen und habe die Dokumente freiwillig herausgegeben.

Das Ministerium erklärte, man habe der Anklagebehörde »vollumfänglich und unverzüglich alle Informationen gegeben«. Man setze auf »maximale Kooperation mit der Staatsanwaltschaft«. Der 62-jährige Strobl steht wegen der Affäre massiv unter Druck, die Opposition fordert seinen Rücktritt.

Worum geht es in dem Fall? Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit November wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen einen führenden Polizisten. Der Mann soll eine Hauptkommissarin in einem Videochat mit seinen Vorstellungen sexueller Praktiken belästigt haben. Weil Strobl ein Schreiben des Anwalts des beschuldigten Beamten an einen Journalisten weitergegeben hat, wird nun auch gegen ihn ermittelt.

Der Minister hatte am Mittwoch erklärt, er habe selbst das Schreiben lanciert, um »maximale Transparenz« zu zeigen. Die Staatsanwaltschaft erklärte daraufhin, das Ermittlungsverfahren richte sich gegen den Journalisten und den Minister. Der Reporter wird verdächtigt, aus amtlichen Dokumenten des laufenden Verfahrens gegen den Polizisten zitiert zu haben. Strobl wiederum soll ihn dazu angestiftet haben.

Das Ministerium teilte am Freitagabend mit, die Staatsanwaltschaft prüfe den Sachverhalt und treffe die notwendigen Ermittlungsschritte. Mit Blick auf das laufende Verfahren der Staatsanwaltschaft könne sich das Ressort aktuell hierzu nicht weiter in der Öffentlichkeit äußern. Strobl hat zu dem Ermittlungsverfahren noch nicht Stellung genommen. Der CDU-Landeschef fährt auch nicht zum Bezirksparteitag der CDU Nordwürttemberg in Waiblingen an diesem Samstag, obwohl er im Programm angekündigt war. Stattdessen gebe es ein voraufgezeichnetes Grußwort per Video, sagte eine Sprecherin der Landes-CDU.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hatte zuvor Strobls Verhalten scharf kritisiert. »Wäre Innenminister Strobl ein Polizist, hätte ihn das Innenministerium schon suspendiert und man hätte eine Pressemitteilung herausgegeben, die eine Rückkehr sehr schwer gemacht hätte«, sagte Landeschef Ralf Kusterer der Deutschen Presse-Agentur. Mit Blick auf die Rücktrittsforderungen der Opposition erklärte der Gewerkschafter, er habe »Verständnis für die politischen Bewertungen in der Causa Strobl«.

Kusterer begrüßte die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Innenminister wegen der Weitergabe eines Schreibens des Anwalts des beschuldigten Beamten an die Presse. Man könne den Eindruck gewinnen, »dass die Unschuldsvermutung im Innenministerium nichts gelte«. Kusterer sagte: »Der Vertrauensverlust in der Polizei, aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern wirkt schwer.« Er plädierte dafür, dem Innenministerium das Disziplinarverfahren gegen den hohen Beamten zu entziehen und am besten dem Staatsministerium zu übertragen.

Die Opposition sieht in Kusterers Äußerungen ein Misstrauensvotum der Polizei gegen den Minister. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch erinnerte an einen legendären Spruch von Ex-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auch Strobls Schwiegervater ist: »Da wüsste Wolfgang Schäuble, was es geschlagen hat: Isch Over«, schrieb Stoch auf Twitter. »Wissen Sie es auch, Herr Kretschmann?«

Sein Kollege von der FDP, Hans-Ulrich Rülke, sagte, die Kritik der Gewerkschaft an Strobl sei »vernichtend«. Nur Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) erkenne nicht, »dass dieser Minister endgültig verbrannt ist. Dieses Misstrauensvotum kann er nicht ignorieren. Wie lange will er noch zuschauen?« Kretschmann hatte seinem Vize-Regierungschef Strobl am Mittwoch das »volle Vertrauen« ausgesprochen, sich aber zu den Ermittlungen nicht geäußert.

Zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Journalisten und den Minister sagte Kusterer: »Es mag schon wie eine verkehrte Welt wirken, wenn ausgerechnet der Journalist jetzt zum Beschuldigten wird, der durch seine professionelle Arbeit dazu beigetragen hat, dass vieles, was nicht so richtig in der Politik und dem Innenministerium läuft, bekannt wird. Dabei kann man verstehen, dass viele Insider die Verantwortung nicht beim Journalisten sehen.«

Strobl müsse sich selbst fragen, ob er es als Jurist mit seinen Rechts- und Moralvorstellungen vereinbaren könne, als Dienstherr so mit den Persönlichkeitsrechten von Menschen, die sich an ihn wenden, umzugehen. Er finde es erstaunlich, dass Ministerpräsident Kretschmann und Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz dies als vereinbar betrachteten und Strobl den Rücken stärkten.

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© dpa-infocom, dpa:220506-99-187914/5