Stuttgart (dpa/lsw) - Die Beamten im Land sollen nach dem Willen von SPD und der Gewerkschaft Verdi künftig eine Stunde pro Woche weniger arbeiten als bisher. Die SPD fordert eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche für die Landesbeamten. Landtagsfraktionschef Andreas Stoch sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart, damit könne die Beschäftigung beim Staat attraktiver werden. Bislang gilt für die Landesbeamten eine Wochenarbeitszeit von 41 Stunden.
Der Landesbezirksleiter von Verdi, Martin Gross, begrüßte den SPD-Vorstoß am Samstag: »90 Minuten geht nicht nur ein Fußballspiel, 90 Minuten muss die Beamtenschaft im Land länger arbeiten als ihre angestellten Kolleginnen und Kollegen. Woche für Woche.« Er äußerte die Hoffnung, dass die bisherige Mehrheit im Landtag für die 41-Stunden-Woche bröckeln könnte. Die Regelung für Beamte war zum 1. September 2003 eingeführt worden.
Im Werben um Nachwuchskräfte spiele der Ausgleich von Arbeit und Freizeit - Work-Life-Balance - eine immer größere Rolle. »Wir müssen konkurrenzfähig sein in diesem Bereich«, sagte Stoch mit Blick auf andere Bundesländer mit niedrigeren Wochenarbeitszeiten. Zudem stehe Baden-Württemberg finanziell relativ gut da und könne sich eine 40-Stunden-Woche für Beamte leisten.
Stoch bezog sich dabei auf eine Antwort des von der CDU geführten Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage seiner Fraktion. Darin räumt das Ministerium ein, dass die Einführung einer 40-Stunden-Woche ein Signal der Wertschätzung für die Beamten und ein Motivationsschub für sie sein könne. Allerdings rechnet das Land mit Zusatzkosten von jährlich rund 180 Millionen Euro, wenn die weggefallene Arbeitszeit durch zusätzliche Stellen aufgefangen werden soll.
In die Berechnung wurden nur die Landesministerien und ihre nachgeordneten Behörden und Landesbetriebe einbezogen - ohne Lehrer. Im Extremfall könnten Mehrkosten von 427 Millionen Euro im Jahr entstehen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes gibt es im Südwesten mehr als 200 000 Beamte.
Stoch geht von Mehrkosten zwischen 100 und 180 Millionen Euro im Jahr aus. Er glaube, dass ein vollständiger Ersatz durch zusätzliche Stellen gar nicht nötig sei. In manchen Bereichen sei es denkbar, mögliche Mehrarbeit auch einfach als Überstunden zu vergüten. Im Vergleich zu einem Haushaltsvolumen von insgesamt rund 50 Milliarden Euro im Jahr sei das ein Betrag, der zu bewältigen sei. Zwar erklärt das Innenministerium in der parlamentarischen Antwort, dass solche Mehrbelastungen nicht in der Finanzplanung bis 2021 enthalten seien. Stoch sieht trotzdem die Chance für einen »Nachdenkprozess«.