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Solarpflicht auch für ältere Gebäude? Kommunen sehen das gelassen

Plant die Landesregierung allgemeine Pflicht für Fotovoltaik durch die Hintertür? Mehr Rechte für Kommunen

Kommunen im Land können unter bestimmten Voraussetzungen Solaranlagen auch auf älteren Häusern einfordern.  FOTO: RUMPEN/DPA
Kommunen im Land können unter bestimmten Voraussetzungen Solaranlagen auch auf älteren Häusern einfordern. FOTO: RUMPEN/DPA
Kommunen im Land können unter bestimmten Voraussetzungen Solaranlagen auch auf älteren Häusern einfordern. FOTO: RUMPEN/DPA

REUTLINGEN/STUTTGART. Da war der Ministerpräsident mal wieder durch und durch Grüner. »Jedes geeignete Haus im Land soll ein kleines Sonnenkraftwerk werden«, sagte Winfried Kretschmann beim Grünen-Parteitag Ende September. Das ließ aufhorchen, denn eigentlich besteht im Südwesten keine allgemeine Solarpflicht. Eigentlich!

Rechtlicher Stand der Dinge ist folgender: Wer in Baden-Württemberg ein Haus bauen will, muss seit Mai dieses Jahres eine Solaranlage auf seinem Dach installieren. Bestehende Häuser sind ausgenommen. Wer allerdings das Dach seines bereits bestehenden Gebäudes grundlegend sanieren will, muss von 2023 an ebenfalls eine Fotovoltaikanlage installieren. Eine Pflicht für den Altbestand gibt es aber nicht.

Eine grundlegende Dachsanierung liegt dann vor, wenn die Eindeckung eines Daches mit Dachziegeln oder die Abdichtung eines Flachdaches vollständig erneuert wird. Ausgenommen sind Baumaßnahmen, die ausschließlich zur Behebung kurzfristig eingetretener Schäden vorgenommen werden wie zum Beispiel Sturmschäden oder kleinflächige Reparaturen, heißt es beim Portal für erneuerbare Energien und die bürgernahe Energiewende.

Schwarze-Peter-Spiel

Im Entwurf einer Novelle zum geltenden Klimaschutzgesetz, die noch vor Weihnachten im Landtag behandelt werden soll, steht nun aber: »Die Gemeinden können durch Satzung für das Gemeindegebiet oder genau abgegrenzte Teile des Gemeindegebiets die Verwendung von erneuerbaren Energien für bestehende Gebäude vorsehen«. Nun also doch eine allgemeine Solarpflicht durch die Hintertür? Man könne jedenfalls nicht sagen, eine Solarpflicht für Bestandsgebäude sei vom Tisch, schimpft der Geschäftsführer des Eigentümerverbands Haus und Grund, Ottmar Wernicke.

Gegenüber dem GEA sagte Wernicke, dass er die Politik der Landesregierung in diesem Fall »nicht für ehrlich und seriös« halte. Sie selber wolle die Solarpflicht nicht regeln und gebe mit der Novelle den Schwarzen Peter an die Kommunen weiter. Grün orientierte Städte wie Tübingen oder Freiburg werden vorreiten, so glaubt Wernicke, »und die anderen Kommunen werden dann hinterherhoppeln«.

»Der zurückliegende Sommer mit großer Trockenheit und 24 Tagen über 30 Grad hat gezeigt, dass wir unsere Anstrengungen für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel deutlich verschärfen müssen«, erklärte Ministerpräsident Kretschmann, weshalb ein Nachschärfen des Klimaschutzgesetzes nötig geworden sei.

»Gemeinden, die sich insbesondere beim Klimaschutz in einer Vorreiterrolle sehen, erhalten damit weitere Instrumente«, heißt es aus dem Umweltministerium zu dem umstrittenen Passus in der Novelle. Mit der Änderung werden die Gemeinden in den Stand versetzt, im Interesse des Klimaschutzes örtliche Satzungen zu erlassen, die bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien über bestehende Anforderungen auf Bundes- und Landesebene hinausgehen, heißt es weiter im Text zur geplanten Gesetzesänderung.

Doch sollten Gemeinden bei bestehenden Gebäuden tatsächlich eine Fotovoltaik (oder Solarthermie-Anlage) einfordern, gibt es Härtefall-Regelungen. Von einer Solarpflicht könne befreit werden, wenn diese nur mit unverhältnismäßig hohem wirtschaftlichen Aufwand erfüllbar wäre, wie auf den Seiten des Umweltministeriums zur Gesetzesnovelle zu entnehmen ist. Auch wenn mancherorts die Aufregung groß war, als die Pläne bekannt wurden, so geht man hier in der Region eher unaufgeregt mit der Gesetzesnovelle um.

In Reutlingen sei das Interesse an Fotovoltaikanlagen »aktuell sehr groß und die Nachfrage übersteigt teilweise das Angebot«, erklärt etwa Angela Weiskopf, Baudezernentin der Stadt Reutlingen, auf Anfrage des GEA und ergänzt: »Eine über die durch das Landesklimaschutzgesetz ab Januar 2023 vorgegebene Fotovoltaikpflicht bei grundlegenden Dachsanierungen hinausgehende Fotovoltaikpflicht für den Gebäudebestand ist darum aus unserer Sicht aktuell nicht erforderlich.«

 

Schwammig formuliert

Gleichwohl macht sie den grundsätzlichen Standpunkt der Stadtverwaltung deutlich: »Um unser Ziel einer klimaneutralen Stadt Reutlingen zu erreichen und unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden, bauen wir die Nutzung erneuerbarer Energien aus. Die Sonnenenergienutzung durch Fotovoltaikanlagen auf allen dafür geeigneten Dachflächen ist dabei ein zentraler Baustein. In der Regel macht sie auch rein ökonomisch Sinn.«

Gelassen reagiert man auch in Metzingen auf die Anfrage unserer Zeitung. »Die Novellierung des Klimaschutzgesetzes befindet sich aktuell noch in der Verbändeanhörung. Sobald eine Beschlussfassung erfolgt ist, werden wir dies auch in unseren Gremien beraten«, sagte Salome Mages, Referentin von Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh.

In Tübingen will die Verwaltung grundsätzlich Solarpflichten erlassen, antwortete OB Boris Palmer auf die GEA-Anfrage und betonte, dass dies im städtischen Klimaschutzprogramm bereits ganz klar stehe. Ob die geplante Novelle dafür aber ausreicht, bezweifelt der Tübinger Noch-OB, wie er sich selbst in seiner Mail an den GEA bezeichnete, denn vieles sei zu schwammig formuliert. Palmer: »Ob der vorliegende Entwurf Gesetz wird, lässt sich noch nicht absehen. Der entscheidende Passus in der Gemeindeordnung ist bisher so unsicher formuliert, dass man damit nicht viel anfangen kann. Denn dort steht, die Gemeinden können Satzungen erlassen, wenn dies zum Schutz des Klimas geboten ist. Das müsste also vor Ort nachgewiesen werden und das dürfte schwerfallen«, betont Tübingens OB. (GEA)