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So verändert Corona die Stuttgarter Innenstadt

Experten sind sicher: Gesicht des Stuttgarter Stadtzentrums wird sich in nächsten Jahren grundlegend wandeln.

In der Pandemie sind die Passantenzahlen auf der Königstraße viel geringer als früher. Das hat Folgen. FOTO: LICHTGUT/PIECHOWSKI
In der Pandemie sind die Passantenzahlen auf der Königstraße viel geringer als früher. Das hat Folgen. FOTO: LICHTGUT/PIECHOWSKI
In der Pandemie sind die Passantenzahlen auf der Königstraße viel geringer als früher. Das hat Folgen. FOTO: LICHTGUT/PIECHOWSKI

STUTTGART. Deutschland geht in den zweiten Coronawinter – und die Alarmglocken läuten. Gastronomen, Händler, Veranstalter klagen über die Folgen der Pandemie. Die Umsätze im stationären Weihnachtsgeschäft gehen massiv zurück. Wie sieht die Zukunft der Stuttgarter Innenstadt aus? Experten geben Einblicke in Entwicklungen und entwerfen ein mögliches Bild.

Corona trifft viele mit voller Härte. Die Passantenfrequenz in der City ist eingebrochen, der Internethandel wächst. Lokale und Geschäfte schließen, an einigen Ecken ist Leerstand zu beobachten. Zuletzt hat Spielwaren Kurtz bekannt gegeben, das traditionsreiche Geschäft aufzugeben. Doch was derzeit passiert, ist vielerorts nur eine Verschärfung bereits vorher vorhandener Trends.

»Der ganze Markt ist in Bewegung«, weiß Jürgen Track. Der Einzelhandels- und Gastrospezialist des Maklers Colliers kennt die Entwicklungen seit vielen Jahren. Zeiten, in denen die Menschen Schuhe gekauft haben und dann wieder nach Hause gegangen sind, seien vorbei, sagt er. Es zähle der Erlebnisfaktor. So gehörten Einkaufen und Gastronomie untrennbar zusammen. »Die Leute brauchen Anreize, nach Stuttgart zu kommen, sich wohlzufühlen und möglichst lange zu bleiben«, sagt auch Citymanager Sven Hahn.

Handelsmieten sinken

Was bei Wohnungen in Stuttgart undenkbar scheint, ist bei Handelsmieten Realität: Sie sinken. Der Rückgang im Vergleich zu Spitzenzeiten dürfte bei 30 Prozent liegen. Manch einer hält es allerdings für einen Gesundungsprozess, dass Spitzenmieten auf der Königstraße von 300 Euro pro Quadratmeter Geschichte sind. Denn diese Preise konnten sich nur wenige internationale Filialisten leisten. Wer allerdings glaubt, dass es künftig wieder mehr regionale und individuelle Konzepte in Spitzenlagen gibt, wird wohl enttäuscht. Dafür ist das Niveau immer noch zu hoch. Denkbar ist das nur in Nischen – oder geballt an einer Stelle, wenn ein Vermieter sich bewusst dafür entscheidet.

Derzeit laufen in der Innenstadt viele Altverträge aus. Das bringt zusätzliche Bewegung. »Es gibt zwar Leerstände, aber es ist nicht so, dass es dafür keine Interessenten gibt«, weiß Track. In mancher Hinsicht herrsche sogar nach wie vor Flächenknappheit, weil viele in ganz bestimmte Lagen wollten. Durch die sinkenden Mieten und die derzeitige Unsicherheit warteten manche Vermieter und Mietinteressenten ab. »Das ist ein Findungsprozess«, so der Makler. Zum Höhepunkt des Mieten-Wahnsinns 2013 und 2014 habe man Flächen in der Königstraße vier Jahre vor Ende des Mietvertrags weitervermietet. Flächen werden kleiner, es gibt mehr Umzüge. Auf dem Rückzug befinden sich die klassischen Textil-, Parfüm- oder Schuhhändler. »Dafür sehen wir neue Konzepte«, sagt Track. Süßwarenhändler drängten in die Top-Lagen – an der oberen Königstraße etwa eröffnet World of Candy. Auch Mobilitätskonzepte oder Möbelspezialisten seien im Kommen. »Vielleicht müssen wir uns alle daran einfach noch gewöhnen«, so Track.

Stichwort Gastronomie: »Da gibt es trotz der derzeitigen Probleme viel Nachfrage und wenig geeignete Flächen«, so Track. Es seien sehr interessante Konzepte am Markt, doch mancher Vermieter scheue sie noch, weil sie erst einmal Investitionen bedeuteten. Doch ohne, das ist klar, geht nichts mehr. Es sei deshalb auch eine politische Aufgabe, »gute Rahmenbedingungen für das Gastgewerbe zu schaffen, wenn man die Innenstädte lebendig halten will«, sagt Daniel Ohl vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband.

Jüngst wartete eine Berliner Immobilienfirma mit einer Umfrage unter 500 Stadthoteliers bundesweit, auch in Stuttgart, auf. Demnach überlege jeder Zweite, sein Haus zu schließen oder umzuwandeln. Davon sei man weit entfernt, sagt Ohl. »Im einen oder anderen Fall kann das aber passieren. Stuttgart hatte vor Corona einen Geschäftsreiseanteil von 70 Prozent und einen großen Zuwachs bei den Hotelbetten«, so Ohl. Manche Tagungen oder Reisen wird es auch nach der Pandemie nicht mehr geben. »Die Geschäftsreise- und Tagungshotellerie steht deshalb vor großen Herausforderungen«, sagt er. Es müsse Ziel des Stadtmarketings sein, mehr Städtetouristen anzulocken. (GEA)