Kultusministerin Theresa Schopper fordert eine Zusammenlegung kleiner Schulen auf dem Land und eine Zentralisierung der Verwaltung. Es gebe in Baden-Württemberg mehr als 800 Grundschulen mit weniger als 100 Schülerinnen und Schülern, sagte die Grünen-Politikerin in der SWR-Sendung »Zur Sache Baden-Württemberg«. Zwar sollen keine Schulen geschlossen werden, sicherte sie zu. Aber: »Wir müssen viel mehr in Verbünden arbeiten, dass die Schulen ein gemeinsames Team, ein Lehrerkollegium haben, wo die Schulen sozusagen zu einer Einheit werden, wo man sich auch gegenseitig aushilft.«
Benachbarte Schulen müssten Schulverbünde gründen, forderte Schopper. Die Kinder sollen dabei weiter in ihre gewohnten Schulen in ihren Orten gehen, wo sie zu Fuß hinlaufen könnten und wo sie sich zu Hause fühlten. Gleichzeitig sollten sich Lehrerkollegien verschiedener Schulen mehr untereinander aushelfen. »Anders wird es auch auf Dauer nicht gehen, weil solche kleinen Einheiten, wie wir sie haben, gibt es in keinem anderen Bundesland.«
Ein Sprecher des Ministeriums betonte am Freitag, dass sehr kleine Grundschulen hohe Personalkapazitäten binden würden. »Während sich in den Städten Lehrerinnen und Lehrer in prall gefüllten Klassen wiederfinden, unterrichten Lehrkräfte an manchen Schulen im ländlichen Raum nur vor wenigen Kindern.« Die Schulträger, vor allem die Kommunen, seien für Bau und Betrieb der Schulen zuständig, das Land für Lehrerausbildung, Unterrichtsversorgung und Lehrinhalt. Man müsse nun gemeinsam darüber nachdenken, »inwieweit organisatorische Zusammenschlüsse von kleinen Grundschulen einen Beitrag zu einer besseren Unterrichtsversorgung und Qualitätsentwicklung leisten könnten«, so das Ministerium.
So könnten kurze Schulwege für die Kinder erhalten bleiben, während sich Lehrkräfte und andere Ressourcen bündeln ließen. »Mehr Einsatzflexibilität führt zu weniger Unterrichtsausfall. Auch andere knappe Ressourcen, wie Sekretariatskräfte oder Hausmeister könnten jederzeit einbezogen werden«, teilte das Ministerium mit. Schopper betonte am Freitag, dass es keine schnellen Lösungen geben werde. Viele intensive Gespräche wären notwendig, die auch die Belange der Träger berücksichtigten.
Der Gemeindetag reagierte nicht abweisend auf den Vorstoß. Zwar sei eine flächendeckende Grundschulstruktur ein wesentlicher Beitrag zur Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, teilte Christopher Heck mit, der Sprecher des Gemeindetags. »Wenn sich im Einzelfall jedoch durch eine bessere Kooperation mehrerer Schulstandorte oder durch die Schaffung von Schulverbünden die Ablauforganisation gerade kleinerer Grundschulen verbessern lassen kann, so werden sich die Schulträger dem sicher nicht verschließen«, betonte er. Allerdings müsse dabei auch die jeweilige räumliche Situation berücksichtigt werden. »Die Wege zwischen zwei Grundschulen können gerade in den ländlichen Räumen durchaus lang sein.«
Auch der Städtetag kann der Idee einer Zusammenlegung der Verwaltung zu größeren Einheiten viel abgewinnen. »Es wird so kommen müssen, weil auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 schulübergreifend organisiert werden muss«, sagte Bildungsdezernent Norbert Brugger am Freitag. Das erfordere dann sowieso eine bessere Koordination. »Wir können dann nicht mehr überall alles anbieten«, so Brugger. »Deshalb müssen die Grundschulen kooperieren.«
Die Grünen-Landesvorsitzende Lena Schwelling hatte sich bereits im März gegen die Vielzahl kleiner Schulen positioniert. »Wir müssen auch an der Stelle mutiger und selbstkritischer sein«, hatte sie der »Südwest Presse« gesagt. »Wir müssen angesichts des Lehrermangels auch prüfen, ob wir uns noch jede kleine Grundschule im Land leisten können. Ich ducke mich vor unpopulären Debatten nicht weg.«
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hingegen sieht den Vorstoß mit großer Skepsis. Man habe mit Schulen, die als Außenstellen betrieben würden, gemischte Erfahrungen gemacht, sagte der Bundes- und Landesvorsitzende Gerhard Brand. »Diese Schulen leiden darunter, weil sie keinen Ansprechpartner vor Ort haben, wenn es konkrete Probleme gibt.« Es sei etwa wichtig, dass die Schulleitung vor Ort sei, um Probleme lösen zu können. »Sonst wird die Steuerung der Schule schwer.« Wenn es nur noch eine Schulleitung für vier oder fünf Außenstellen gäbe, würde sich diese zerreiben. Die Schulleitung fehle dann wiederum mehr im Unterricht.
Insgesamt überwiege der Verlust an Qualität in der Abwägung einer Zentralisierung kleiner Schulen, findet VBE-Chef Brand. Auch stelle sich die Frage der organisatorischen Umsetzung, wenn Lehrkräfte unter Umständen in verschiedenen Außenstellen eingesetzt würden und pendeln müssten. »Eine Bündelung mag in der Verwaltung funktionieren, in der Pädagogik sehen wir dies nicht.«
Der Vorschlag sei nicht bis zum Ende durchdacht, kritisierte auch der Landesgeschäftsführer der Bildungsgewerkschaft GEW, Matthias Schneider. Er forderte von Ministerin Schopper ein richtiges Konzept. Es sei sicher sinnvoll, wenn Grundschulen etwa bei der Verwaltung entlastet werden könnten. »Aber der Lehrkräftemangel wird nicht geringer, wenn man Schulen zusammenschließt.« Das Land sollte sich vielmehr darum kümmern, mehr Lehrerinnen und Lehrer auszubilden. Schneider kritisiere etwa, dass die ständige Vertretungsreserve im Land zu gering sei. 2000 Lehrer seien derzeit in der Reserve, im Schnitt gebe es aber rund 7000 Ausfälle.
GEW und VBE äußerten sich grundsätzlich entschieden gegen eine Schließung der kleinen Schulen auf dem Land. »Die Grundschulen in kleinen Orten sind oftmals noch die letzten öffentlichen Institutionen vor Ort«, sagte GEW-Geschäftsführer Schneider. Zur Förderung des ländlichen Raums gehöre auch der Erhalt der Grundschulen, so Schneider. Eine Grundschule sei für eine Kommune ein absoluter Standortvorteil, sagte VBE-Mann Brand. Sie seien näher an den Kindern dran und leisteten wertvolle Arbeit. »In der großen Pause in einer kleinen Schule kennt jeder Kollege jedes Kind mit Namen.«
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