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Scharfe Debatte um Freibad-Krawalle

Auch im Südwesten gibt es immer wieder Schlägereien oder sexuelle Übergriffen in Freibädern. Die AfD fordert im Landtag ein härteres Durchgreifen, die anderen Fraktionen sehen kein flächendeckendes Problem - und werfen der AfD Populismus vor.

Thomas Strobl
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, spricht im Landtag. Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, spricht im Landtag.
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Innenminister Thomas Strobl (CDU) sieht in Baden-Württemberg keine vergleichbaren Probleme mit Gewalt in Freibädern wie in Berlin. »Wir sind nicht der Wannsee, wir sind in Baden-Württemberg«, sagte Strobl am Donnerstag im Landtag in Stuttgart. Man habe die Lage im Blick. »Es gibt aber keinen Grund, die Menschen zu verunsichern.« In Berlin hatte es jüngst in Freibädern immer wieder Gewaltausbrüche gegeben.

In Baden-Württemberg erfasste die Polizei nach Anhaben des Innenministeriums 2022 insgesamt 1174 Straftaten in Freibädern - und damit 166 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anstieg ist aber in erster Linie auf die Corona-Zeit zurückzuführen, in der viele Freibäder schließen mussten. Im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 sei die Anzahl der Straftaten in Freibädern sogar um 14,9 Prozent gesunken. 2015 waren es 1888 Fälle.

Nicht der komplette Anstieg kann allerdings mit dem Corona-Effekt erklärt werden. Bei den »Rohheitsdelikten und Straftaten gegen die persönliche Freiheit«, also vor allem Körperverletzungen, wurde im vergangenen Jahr ein Anstieg von 25,8 Prozent verzeichnet - gegenüber dem Jahr 2019. Eine valide Bewertung der aktuellen Lage sei derzeit nicht möglich, da die Freibad-Saison derzeit in vollem Gange sei, sagte Strobl.

Die AfD hatte zuvor in einer aktuellen Debatte im Landtag von »systematischer sommerlicher Randale« gesprochen. Diese habe es nicht schon immer gegeben, sagte der Abgeordnete Daniel Lindenschmid. »Wir haben es hier mit Tätern zu tun, die ganz bestimmten Kulturkreisen entspringen.« Ursache für die Probleme sei die Migration. »Bevor Sie Kontrollen vor den Freibädern einführen, kontrollieren Sie erstmal die Pässe an den deutschen Grenzen«, sagte Lindenschmid.

Scharfe Kritik an den Aussagen Lindenschmids übten die anderen Fraktionen. »Wir sind in Baden-Württemberg sehr weit davon entfernt, ein flächendeckendes Gewaltproblem in Freibädern zu haben«, sagte der CDU-Innenpolitiker Tim Brückner. Es gebe im Land 433 Freibäder: »In den allermeisten haben wir überhaupt keine Probleme.«

Die Phänomene seien auch nicht neu. »Freibäder waren schon immer ein Ort von Macho- und Imponiergehabe«, sagte Brückner. Neu sei aber, dass der Mangel an Bademeistern immer größer werde. »Die fehlen nicht nur auf dem Papier, sondern die fehlen auch als Autorität - und das ist spürbar.«

Der SPD-Innenexperte Sascha Binder betonte, es sei wichtig, Straftäter schnell abzuurteilen. »Da haben wir durchaus Nachholbedarf«, sagte Binder. Mehr Kameraüberwachung oder gar Polizeistreifen in Freibädern brauche es dagegen nicht. »Keiner von uns will vom Liegestuhl aus Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte durch Freibäder laufen sehen. Das erhöht nicht das Sicherheitsgefühl.«

Er habe auch den Eindruck, die AfD nehme das Problem in den Freibädern selbst nicht ernst. »Sie missbrauchen jeden einzelnen Vorfall, um ihren eigenen Populismus zu nähren und haben hier keine einzige ordentliche Lösung für diejenigen, die Opfer dieser Vorfälle geworden sind«, warf Binder der AfD vor.

Die AfD baue rassistische Feindbilder auf und spiele mit den Ängsten der Menschen, kritisierte auch die Grünen-Abgeordnete Fadime Tuncer. Es brauche eine sachliche Debatte. So könne man etwa über Zeitslots in den Freibädern nachdenken, um Überfüllung zu verhindern.

Zu denken geben müsse der Anstieg der Rohheitsdelikte, sagte die FDP-Innenexpertin Julia Goll. Um aber die Sicherheit in den Bädern zu steigern sieht sie die Kommunen in der Verantwortung. »Die meisten Freibäder befinden sich in kommunaler Trägerschaft, diese müssen vom Land besser unterstützt werden«, sagte Goll. Die Kommunen bräuchten ausreichend Geld, um »die eigenen Anstrengungen die Sicherheit in Freibädern betreffend erhöhen zu können.«

© dpa-infocom, dpa:230720-99-469015/3