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Südwesten: Viertklässler beim Lesen schwach

Vor fünf Jahren kam der Absturz überraschend: Baden-Württembergs Viertklässler waren nicht mehr spitze, sondern nur noch Durchschnitt. Dann wurde gegengesteuert im einstigen Bildungsmusterland - mit eher mäßigem Erfolg wie sich jetzt zeigt.

Viertklässler im Südwesten rutschen ab
Schülerinnen und Schüler sitzen in einem Klassenraum der Grundschule im Lenninger Ortsteil Schopfloch. Foto: Marijan Murat
Schülerinnen und Schüler sitzen in einem Klassenraum der Grundschule im Lenninger Ortsteil Schopfloch.
Foto: Marijan Murat

Viertklässler im Südwesten haben einer Studie zufolge zunehmende Probleme beim Lesen und Zuhören. Fast jedes fünfte Kind schafft die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht. Das Land rutscht damit nach dem schmerzlichen Absturz bei der Leistungsstudie im Jahr 2016 dieses Mal noch weiter ab. In der Rangliste der Länder ist Baden-Württemberg weiter nur im Mittelfeld zu finden. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) stellte die Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) am Montag in Berlin vor.

Beim Lesen liegen die Viertklässler aus Baden-Württemberg auf Rang 9, beim Zuhören sogar nur auf Platz 11. In beiden Bereichen erreichen nur 57 Prozent der Kinder die sogenannten Regelstandards, 20 Prozent schaffen die Mindeststandards nicht. Bei der Rechtschreibung liegt das Land immerhin auf dem 3. Platz. Aber auch hier hinken viele Kinder hinterher: Nur 47 Prozent packen den Regelstandard, 28 Prozent schaffen die Mindestanforderungen nicht. In Mathematik liegt das Land auf Rang 6 - knapp 20 Prozent der Mädchen und Jungen erreichen das Mindestlevel nicht. Aus dem Kultusministerium heißt es, immerhin sei das Absinken der Leistungen etwas abgebremst und nicht so stark wie im Bundestrend.

In der Tat steht Baden-Württemberg mit den Problemen nicht allein: Bundesweit sind die Viertklässler beim Lesen, Schreiben und in Mathe im Vergleich zu den letzten Studien nochmal zurückgefallen. Schon vor vier Jahren lösten die Ergebnisse der IQB-Studie im Südwesten einen wahren Schock aus. Das ehemalige Bildungsmusterland Baden-Württemberg war damals von einem Spitzenplatz ins Mittelfeld abgerutscht. Die damalige Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) attestierte dem Südwesten ein »durchgehendes Qualitätsproblem«.

Eisenmann reagierte unter anderem mit der Gründung zweier wissenschaftlicher Institute, die das Bildungswesen im Land unter die Lupe nehmen sollten. Zudem sollten die Basiskompetenzen der Grundschüler in Deutsch und Mathe deutlich gestärkt werden. Geholfen hat es offensichtlich nur mäßig: Eisenmanns Nachfolgerin Schopper erklärte zuletzt, es sei alarmierend, wenn 20 Prozent der Kinder keine optimale Leseleistung mehr hätten.

Grundlage der IQB-Studie waren Tests an fast 1500 Schulen in ganz Deutschland mit etwa 27.000 Viertklässlern zwischen April und August 2021. In Baden-Württemberg nahmen etwa 90 Schulen und 1600 Kinder aus der damaligen 4. Klasse teil. Zum Zeitpunkt der Tests hatten die Schülerinnen und Schüler ein Jahr Pandemie und somit auch Monate des Home-Schoolings hinter sich. Laut Studie könnte Corona eine Rolle gespielt haben beim Absinken der Leistungen. Andererseits setzten sich auch negative Trends fort, die schon zwischen 2011 und 2016 aufgetreten waren.

Auch ein altes Problem taucht in der Studie wieder auf - die Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozialen Status der Eltern. So waren im Südwesten die Kompetenzen im Lesen stark daran gekoppelt. Der Unterschied zwischen Kindern aus privilegierten Haushalten, die mehr als 100 Bücher besitzen, und jenen aus weniger privilegierten ist demnach weiter groß.

In der Studie wird auch darauf hingewiesen, dass der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund unter den Viertklässlern in Baden-Württemberg bei knapp 50 Prozent liegt - das sei unter den Flächenländern der höchste Wert. Hinzu kommt, dass der Anteil der Haushalte, in denen nur Deutsch als Familiensprache gesprochen wird, im Südwesten bei 53,6 Prozent liege. Das sei im Vergleich zur Studie im Jahr 2016 deutlich zurückgegangen.

Im Fazit der IQB-Analyse heißt es deshalb, eine besondere Herausforderung besteht weiter bei der Sprachförderung. »Diese muss systematisch weiterentwickelt werden, um sicherzustellen, dass auch Kinder, die mit geringen Deutschkenntnissen ins Bildungssystem kommen, dieses erfolgreich durchlaufen können.«

© dpa-infocom, dpa:221017-99-153660/3